Der Aurora Effekt
schien meilenweit von ihm entfernt zu sein. Mutlos kletterte er die Leiter hinab in den Generatorraum von Sealand, von dem es weitere Leitern hinab ging zu den Server- und Lagerräumen. Es roch überall muffig nach Schimmel und Meerwasser. Die spärliche und zum Teil flackernde Halogenbeleuchtung erhellte die Räume nur spartanisch und überall stand Gerümpel in den Ecken. Sealand war eine Müllkippe, schoss es Winter durch den Kopf. Nachdem sie drei weitere Stockwerke über Leitern nach unten geklettert waren, kamen sie an einer Art Fitnessraum vorbei, in dem diverse Kraftgeräte standen. Gleich hinter diesem Raum befanden sich eine Toilette und eine Dusche. Ein großes Schild davor wies daraufhin, das nur drei Duschen pro Sealand Bewohner pro Woche erlaubt waren und diese nicht länger als fünf Minuten dauern dürften. Winter wollte sich gar nicht erst vorstellen, hier in diesem Dreckloch häuslich zu werden. Der Raum hinter der Dusche war größer und hier wurden sie von einem ruhigen Surren empfangen. Einer der Serverräume. In mehreren Reihen standen dort geordnete Racks randvoll mit Computern, Netzwerkkabeln und blinkenden Kontrollleuchten.
»Das Herz von Sealand«, bemerkte Fynn stolz. »Auf den anderen Decks befinden sich noch zahlreiche weitere Serverräume, doch von hier aus habe ich direkten Zugriff auf HAARP.«
Genau diese Frage hatte Winter sich noch überhaupt nicht gestellt, wie um alles in der Welt wollte dieser Fynn von hier aus das HAARP-Projekt steuern. Gerade als er diese Frage stellen wollte, kam ihm Fynn mit der Antwort zuvor, als er in der Ecke eines Raumes auf einen alleine stehenden Computer mit zwei großen angeschlossenen dreißig Zoll Monitoren deutete. »Von dort aus kann ich mich jederzeit direkt in HAARP einwählen und die gesamte Anlage unter meine Kontrolle bringen.«
»Man hat doch bestimmt sofort nach ihrem Fortgang bei HAARP die Passwörter geändert, wie wollen sie das dann anstellen?«, fragte Angelique.
Fynn grinste: »Es ist immer wieder schön, wenn man sich auf seine loyalen ehemaligen Mitarbeiter verlassen kann. Sie haben doch bestimmt bei Ihrem Besuch bei HAARP die Bekanntschaft von dem ehrenwerten Dr. Pielgrim gemacht? Er sprach jedenfalls von Ihnen.«
Pielgrim? Winter überlegte, genau dieser affektierte Wissenschaftler, der ihre Führung geleitet hatte. Verdammt, damit standen Fynn tatsächlich alle Optionen offen. Erneut ärgerte Winter sich, wie unvorbereitet er sich und Angelique in diese scheinbar aussichtslose Situation manövriert hatte.
Während Fynn an dem Rechner Platz nahm und begann, diverse Befehle einzugeben, stand Isabel etwas abseits, die Waffe weiterhin im Anschlag.
»Ist es das wirklich wert?« Winter wagte einen neuen Versuch, Isabel auf seine Seite zu ziehen, einen verzweifelten Versuch. »Isabel. Hörst du mir überhaupt zu? Ihr wollt Tausende Menschen töten? Wofür?« Isabel schien Winters Worte gar nicht wahr zu nehmen und verzog keine Mine.
»Sparen sie sich die Mühe, Herr Winter. Isabel ist mir zu hundert Prozent loyal ergeben. Ich weiß, dass sie zwei einmal etwas verbunden hat, aber das, Herr Winter, das ist Schnee von gestern.« Unbeirrt bearbeitete Fynn seinen Computer und auf den Monitoren erschienen durchlaufende Zahlenreihen und Diagramme, mit denen Winter nichts anfangen konnte.
Angelique, die die letzten Minuten über geschwiegen hatte, sagte plötzlich: »Herr Fynn, was ist denn dran an der Behauptung, das man mit HAARP sogar den Polsprung auslösen kann?«
Winter warf ihr einen verwirrten Blick zu. Worauf wollte sie hinaus.
»Frau Brockhaus, das ist wieder das Geschwätz von irgendwelchen unwissenden Trittbrettfahrern der Verschwö-rungstheorien von HAARP. Ich kann sie beruhigen, die von HAARP ausgestrahlten elektromagnetischen Signale haben nur ein Zehnmillionstel der Stärke des natürlichen Erdmagnetfeldes und sind somit völlig ungeeignet, das Magnetfeld der Erde zu beeinflussen. Für das menschliche Gehirn reicht diese Dosis aber allemal aus.«
»Aha, und was ist mit den Ozonlöchern, die sie bei ihren Experimenten in die Atmosphäre brennen?«
»Kollateralschaden«, schoss Fynn gelangweilt zurück und behielt dabei die Monitore fest im Auge.
Angelique wollte an Fynns Gewissen appellieren, ein Versuch wert war dies auf jeden Fall. Winter beobachtete angespannt Fynns weitere Reaktionen, während Angelique ihn weiter bearbeitete. »Aber sie können mir doch nicht ernst weiß machen, dass ihnen das Elend dieser
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