Der Aurora Effekt
Menschen völlig egal ist, nur weil man ihnen Unrecht getan hat. Fynn, sie sind doch Wissenschaftler.« Angelique hatte jetzt ihren geschäftsmäßigen, tiefen Tonfall drauf, mit dem sie locker jedes Meeting an sich reißen konnte, hoffentlich hatte sie Erfolg.
In dem Moment, als Fynn sich auf seinem Stuhl umdrehte und Angelique anlächelte, wusste Winter, dass es ein erfolgloser Versuch war. Dieser Fynn war nicht zu stoppen und Isabel schien ihm völlig verfallen zu sein. Hilflos nach einem Ausweg suchend schaute er unsicher hin und her und blieb mit seinem Blick auf der Frau haften, die sein Leben in den letzten Tagen so völlig auf den Kopf gestellt hatte. Was sollte er bloß tun? Schreien könnte er bei dem Gedanken, dass er Angelique nicht hatte besser schützen können. Es schien alles zu spät zu sein. Kälte kletterte seinen Nacken hinauf und machte ihn nahezu bewegungsunfähig. Es war die Kälte, die man verspürte, wenn man Angst hatte. Aber da war auch noch etwas anderes, das langsam von ihm Besitz ergriff. Wut. Blanke Wut machte sich in ihm breit. Eine gefährliche Mischung. Winter musste sich unter Kontrolle halten, unter allen Umständen. Wie gerne hätte er Isabel die Waffe aus der Hand gerissen und sich auf diesen Fynn gestürzt. Und dann Isabel, was war aus seiner Isabel geworden. Der unangenehme Druck in seinem Kopf nahm zu, als er krampfhaft nach einem Ausweg suchte, als plötzlich ein großer Schatten zwischen den dunklen Serverreihen direkt auf sie zuflog.
Die nächsten Sekunden erlebte Winter wie in Zeitlupe. Unbemerkt hatte sich Dirk an sie herangeschlichen und ihrer Unterhaltung gelauscht, bevor er beherzt eingriff. Mit einem blitzartigen Sprung war er über Isabel und schlug ihr die Waffe aus der Hand, die daraufhin über den schmutzigen Fussboden schlitterte und unter irgendwelchen Regalen verschwand. Isabel schlug mit einem Stöhnen mit dem Kopf auf dem Boden auf und war kurzzeitig benommen. Dirk nutze die Verwirrung und taxierte die Lage. Fynn, der völlig überrascht war von diesem ungebetenen Besuch, war rasch von seinem Stuhl aufgesprungen und suchte verzweifelt nach der Pistole. Winter hechtete ihm hinterher und packte ihn am Rücken. Angelique stand wie angewurzelt auf der Stelle und drückte sich mit ihrem Rücken an die Wand. Dirk griff nach ihrer Hand, um sie aus der Gefahrenzone zu zerren, während Winter mit Schlägen unbändiger Wut auf Fynn einschlug. Fynns Nase blutete, als Winter ihm einen gezielten Schlag verpasste, dennoch wehrte er sich wie ein Baum. Krachend schlugen sie gegen ein Regal, das daraufhin ins Schwanken geriet und mit einem Scheppern gegen ein Regal in der anderen Serverreihe schlug. Winter kochte vor Wut und Hass auf diesen Mann, der ihm Isabel geraubt hatte. Er schlug auf ihn ein, immer und immer wieder. Immer heftiger versetzte er dem unter sich auf dem Boden liegenden Fynn Schläge. In seiner Wut bemerkte er nicht, wie Fynn mit seiner rechten Hand suchend unter dem Regal tastete, dass sie umgeworfen hatten. Nur wenige Zentimeter trennten ihn noch von der Waffe, die dort lag. Fynn bäumte sich unter Winters Körper auf und rutsche ein Stück nach rechts. Mit größter Anstrengung und einem Stöhnen gelang es ihm, seine Hand um den Griff der Pistole zu schließen. Zu spät bemerkte Winter die Gefahr und erst als er ein plötzliches Grinsen in Fynns Gesicht wahrnahm wusste er, dass er etwas übersehen hatte. »Das war`s dann wohl, Herr Winter«, spuckte ihm Fynn die Worte förmlich entgegen, während er sich befreiend nach hinten krabbelnd freirobbte und die Pistole im Anschlag auf Winter hielt. »Game over.«
Langsam erhob sich Winter und ging mit erhobenen Armen vorsichtig ein paar Schritte zurück. Suchend blickte Winter sich kurz um, sie waren alleine. Dirk schien Angelique in Sicherheit gebracht zu haben, erleichtert atmete Winter tief aus. Auch von Isabel keine Spur. »Was haben sie nun vor, Fynn? Wollen sie mich einfach so über den Haufen schießen? Dazu haben sie doch gar keinen Schneid. Sie töten doch viel lieber chirurgisch sauber aus der Entfernung mithilfe ihrer Wissenschaft, aber sie feuern doch keine Waffe ab.«
Winter fixierte den sich ebenfalls langsam vom Boden erhebenden Fynn, der die Waffe weiterhin vor sich gestreckt mit beiden Händen im Anschlag auf Winter hielt und zur Demonstration seiner Entschlossenheit den Sicherheitshebel nach hinten zog. »Da wäre ich mir an ihrer Stelle jetzt aber gar nicht so sicher.« Fynn zog die
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