Der Aurora Effekt
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Winter schloss ihr mit einem Fingerstrich die leblosen Augen und erhob sich langsam, nachdem er Isabel noch einmal liebevoll durch ihr Gesicht gestreichelt hatte. Eine Hand legte sich sanft auf seine linke Schulter und sofort wusste er, wessen Hand es war. Er erinnerte sich an einen ähnlichen Moment der Trauer, als er diese Hand schon einmal gespürt hatte, soviel Kraft und Zuneigung lag in dieser Geste. Er ergriff die Hand und drehte sich langsam zu Angelique um, die direkt hinter ihm stand und blickte sie mit ausdruckslosen Augen an.
Dirk stand hinter ihr und schob sich schweigend mit einem Stahlrohr bewaffnet an ihnen vorbei und kümmerte sich um den völlig desolat wirkenden Fynn.
Angelique drückte Winter schweigend fest an sich. Winter zitterte und war nicht imstande, die Situation klar zu erfassen. Seine verklebten Augen in ihren langen Haaren versenkend legte Winter seinen Kopf auf Angeliques Schultern. Winter hatte keine Ahnung, wie lange sie dort so standen, als Angelique sich langsam von ihm löste und ihn bei der Hand nahm und hinaus aus dem Serverraum führte, raus über die Stahlleitern hinauf auf das Oberdeck von Sealand.
Ein eiskalter Wind schlug ihnen entgegen und der Regen peitschte ihnen ins Gesicht, das Wetter schien sichtlich schlechter geworden zu sein. Winter war froh über die Abkühlung und streckte seinen Kopf nach hinten, so dass der Regen ihm direkt entgegenschlug. Sie waren alleine auf dem Deck, anscheinend befanden sich tatsächlich nur Isabel und Fynn auf Sealand, ansonsten wären durch den Schuss bestimmt alle eventuell anderen Sealand-Bewohner alarmiert worden.
Arm in Arm standen Angelique und Winter am Rande der Stahlplattform und blickten hinaus in die dunkle Weite des Meeres. »Mark, ich weiß, dass das jetzt schwer für dich ist«, setzte Angelique vorsichtig an, »aber sie hat es genauso gewollt. Mark, sie hat dir das Leben gerettet und damit ihren Frieden gefunden.« Auch Angelique standen Tränen in den Augen, als sie sich ganz fest an Winter klammerte. Ihre Blicke schweiften aufs Meer. Die Schaumkronen der Wellen waren sichtlich ausgeprägter, ein schwerer Sturm stand unmittelbar bevor. Wie durch einen dichten Vorhang nahm er all dies nur wie aus der Ferne wahr, sein Körper eine ferngesteuerte Hülle, seine Gedanken nicht zu ordnen, unfähig, sich seiner Gefühle bewusst zu werden.
Sie waren bereits beide völlig durchnässt, als sich am fernen Horizont trotz der Dunkelheit ein Schatten löste. Ein Schatten mit einem starken Scheinwerfer, der direkt auf sie zuhielt. Ein unverkennbares Geräusch kündigte einen sich nähernden Hubschrauber an, einen großen Hubschrauber, wie die beiden bald erkannten. Angelique klammerte sich noch fester an Winter, der mit zusammengekniffenen Augen in den grellen Lichtstrahl blickte, der sie bereits erfasst hatte.
Da das Helideck bereits besetzt war, konnte der Hubschrauber unmöglich landen und er blieb schwebend über Sealand in der Luft stehen.
»Ich hab kein gutes Gefühl, Mark«. Angelique hob eine Hand, um ihre Augen vor dem grellen Scheinwerferlicht des Hubschraubers abzuschirmen.
Eine Seitentür des Hubschraubers wurde zurückgeschoben und mehrere Seile wurden plötzlich aus der Tür geworfen, an denen sich Sekunden später dunkel gekleidete Gestalten herab seilten. Ein Rettungsteam oder ein militärisches Exekutionskommando, schoss es Winter in den Kopf, der sich nur langsam seiner Umgebung wieder bewusst wurde, als direkt vor ihnen drei bewaffnete Männer auf die Plattform sprangen und sich auf die Beiden zubewegten. Beim Anblick eines vierten Mannes, der gerade im Begriff war, sich abzuseilen, krampfte sich Winters Magen zusammen. Diese Bewegungen, die Statur, irgendetwas sagte ihm, dass er diesen Mann schon einmal begegnet war.
Im Kampfanzug mit tief ins Gesicht gezogenen Barret blickte Narbengesicht mit einem ausdruckslosen Blick auf Angelique und Winter und ging auf sie zu, während die anderen Soldaten sich rasch nach allen Seiten sichernd auf der Plattform verteilten. Angesichts des zunehmenden Sturms begann der Hubschrauber zu schwanken und entfernte sich ein Stück von der Plattform, nachdem er die Soldaten abgesetzt hatte. Winter blickte starr auf den Mann, der sie schon in Alaska das Fürchten gelehrt hatte, Narbengesicht machte jedoch keinerlei Anstalten, die Waffe gegen sie zu erheben, vielmehr nickte er ihnen schweigend zu und ging einen weiteren Schritt auf sie zu. »So unterschiedlich
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