Der Autor und sein Werk
Gründen verhaßt ist. Er bemüht sich zu zeigen, daß es in Rußland genauso viele schlechte und anständige Menschen gibt wie in jedem Land. O.E. Hasse spielt jenen hilfreichen, gütigen Arzt, dessen unentwegte Funktion als Retter in der Not natürlich viel Sentimentalität und Heroismus ausstrahlt. Gottlob sorgt Hasse dafür, daß die Gloriole nicht zu kräftig glitzert, daß sein Edelmut nicht in Edelkitsch ausartet. Und wieder einmal gibt Hannes Messemer in der Rolle eines eiskalten, eifersüchtigen russischen Oberleutnants eine schauspielerische Spitzenleistung. Besonders gut in den Chargen: Siegfried Lowitz und Leonard Steckel.
Eva Bartok ist die Ärztin in russischer Uniform, die sich in einen deutschen Oberarzt verliebt. Gewiß ist Frau Bartok viel besser als in ihren früheren Filmen. Trotzdem konnte auch Radvanyi ihren Hang zur lauten Pose und großäugig ausgespielten Theatralik nicht immer dämpfen. Vera Tschechowa als zweite russische Liebende gefiel mir besser. Mit diesem hübschen Mädchen hat der deutsche Film endlich wieder ein hochbegabtes Nachwuchstalent.
Fazit: ein guter, sehr humaner Film über eine Misere, die hoffentlich nie wieder vorkommt.
Michael Lentz
Westdeutsche Allgemeine, 22.2.58
Heroische Sentimentalität, ein Filmlaster Zu ›Der Arzt von Stalingrad‹ von Geza von Radvanyi
Als wir in den Kriegsgefangenenlagern waren, hatten wir es unter anderem mit der Ehre nicht leicht. Was konnte schon unsere Ehre noch sein und heißen? Das einzige, was uns damals blieb, war zu schweigen. Es war nicht ein Schweigen aus Trotz oder aus dem gräßlichsten aller Mitleide, aus Selbstmitleid, eher war es ein Schweigen aus Resignation. Wir schwiegen, weil wir den Haß und die Verachtung derer, die uns gefangenhielten, begriffen und weil jedes Wort uns noch würdeloser gemacht hätte.
Das liegt nun hinter uns. Für die einen ist es schon lange her, andere quälen sich noch damit herum. In den Familien derer, die nicht wiederkamen, denkt die eine und der andere zuweilen noch mit Ungewißheit an jene Stätten, in denen der Mann, der Vater, der Bruder starben, an die Lager, von denen sie viel hörten und nichts wissen. Unsere Epoche hat Kollektivleiden ersonnen, sie grausam auferlegt und sie fürchterlich erlitten. Leiden, für die es keinen Glorienschein gibt. Der Gedanke an die Gemarterten in den Konzentrationslagern ist peinigend und wird es immer bleiben. Der Gedanke an Hunderttausende zerlumpter, verhungernder, kranker Kriegsgefangener beider Seiten, die ohne Arzt und Hilfe unbeachtet umkamen, versetzt Überlebende zuweilen in stumpfe Trauer. Nicht jedes Schweigen ist ein Vergessen oder Überspielen. Manche können nicht vergessen.
Und da kommt nun ein Film daher und knüpft an eine sogenannte wirkliche Begebenheit an, nennt sich ›Der Arzt von Stalingrad‹, ist, wie man so sagt, in den tragenden Rollen glänzend besetzt und gespielt, hat Spannung und gruselt die jungen Pärchen in den Kinosesseln. Es ist der Film von einem edlen Mann, der auf die Chance der Heimkehr mit dem ersten Transport nach bitteren Jahren der Hoffnungslosigkeit freiwillig verzichtet und bei seinen Plennys bleibt, die Geschichte vom Stabsarzt Dr. Fritz Böhler aus Würzburg, wo er einmal ein angesehener Chirurg und Gehirnspezialist gewesen war. Diese Geschichte handelt von einem guten Menschen. Sie ist sicher wahr und schön. Aber der Film, den man daraus und darum herum gemacht hat, ist nicht wahr. Die Russen haben dem Deutschen im Lager 5.110/47 verboten zu operieren. Er tut es doch – mit einem Taschenmesser und den Seidenfäden aus dem gestohlenen Kopftuch einer Russin. Das ist gut. Daß er kurz danach die Chance, die ein glücklicher Zufall ihm bietet, nämlich den kleinen Sohn des Kommandanten von einem Gehirntumor zu befreien (was als Chance schon reichlich Kino ist) nicht sofort nutzt, sondern sich erst bitten läßt und große Worte macht »Was sollen meine Männer von mir denken?«, ist – zum Schämen, weil es von jenem Erblaster eingegeben ist, an dem wir immer noch zu kranken scheinen, uns selbst als von der Welt verkannte Heroen zu genießen. Es kann einem dabei übel werden.
Und wie viel mehr, wenn einem solches in einem Film vorgesetzt wird, worin die bildhübsche Kapitänin Kasalinsskaja trotz ihres tiefen Hasses auf die Deutschen dem deutschen Oberarzt, der sie einige Male kräftig angebrüllt hatte, nicht widerstehen kann. Sie gibt sich dem Herrn mit filmischer Deutlichkeit hin. Als Pendant dazu hat
Weitere Kostenlose Bücher