Der azurne Planet
›Alles ist ideal und friedlich hier, bis auf ein eher schrecklich anmutendes Meereswesen. Ist es ein Fisch? Ein Insekt? Ein Stachelhäuter? Natürlich sind derartige Bezeichnungen in dieser Umwelt bedeutungslos. Wir haben uns dazu entschieden, dieses Geschöpf einfach „Krakon” zu nennen.‹ – Und Paul van Blee schreibt: ›Der einzige Sport, dem wir hier nachgehen, ist, den Krakon zu beobachten und Wetten darauf abzuschließen, wen er zuerst fressen wird. Wir haben einige monströse Exemplare dieser Art gesehen, manche davon sind bis zu sechs Meter lang. Die Aussichten für Wassersportler sind sicherlich nicht besonders groß!‹ – James Brunet, der Wissenschaftler, meint: ›Dieser Tage ist es Joe Kamy gelungen, mit einem Knüppel einen kaum einen Meter langen, arglosen Krakon zu schlagen. Sein Blut – oder was immer die Flüssigkeit ist, die aus ihm herauslief – war blau, wie man es von terrestrischen Hummern oder Krebsen her kennt. Ich frage mich, ob das auf ein ihnen ähnliches körperliches Innenleben hinweist. Hämoglobin enthält Eisen, Chlorophyll und Magnesium. Das im blauen Blut von Hummern enthaltene Hämozyanin enthält Kupfer. Der Krakon ist ein mächtiges Biest, und ich möchte wetten, daß er intelligent ist.‹ Das ist beinahe alles, was man aus den Aufzeichnungen über den Krakon erfährt.«
Sklar Hast nickte. »Was mich verwundert und nicht losläßt, ist die Frage: Wenn die Fürbitter wirklich in gewisser Weise mit König Krakon in Kontakt treten und ihn sogar herbeirufen können – wie stellen sie es an? Etwa durch den Signalmeister? Kennen die Signalmeister etwa irgendein geheimes Zeichen? Ich habe bisher jedenfalls nie davon gehört.«
»Ich auch nicht«, sagte Meril etwas steif.
»Das kannst du auch nicht wissen«, sagte Sklar Hast, »denn schließlich bist du keine Signalgeberin.«
»Ich weiß aber zumindest, daß mein Vater König Krakon niemals nach Tranque gerufen hat.«
»Voiderveg hat zugegeben, daß er es selbst tat. Aber wie?« Sklar Hast stand auf. »Nun … es wird wohl Zeit, daß ich den anderen bei der Arbeit helfe.« Er zögerte einen Moment, aber Meril Rohan machte keine Anstalten, ihn zurückzuhalten. »Brauchst du noch irgend etwas?« fragte Sklar Hast plötzlich. »Vergiß nicht, daß ich jetzt der Zunftmeister bin und du jetzt unter meinem Schutz stehst. Du brauchst mir nur zu sagen, wenn irgendwo Engpässe entstehen.«
Meril nickte knapp.
»Willst du ohne Prüfung meine Frau werden?« fragte Sklar Hast ein wenig unbeholfen.
»Nein.« Ihre Stimmung hatte sich erneut geändert; jetzt war sie wieder zurückhaltend. Sklar Hast fragte sich nach den Ursachen. »Ich brauche nichts«, sagte Meril. »Vielen Dank.«
Sklar Hast drehte sich um und ging auf die Männer zu, die inzwischen den alten Signalturm auseinanderrissen. Vielleicht hatte er zu übereilt und ungeschickt gehandelt, sagte er sich. Immerhin war ihr Vater gerade erst gestorben. Es mochte der Kummer gewesen sein, der sie sein Angebot hatte zurückweisen lassen.
Sklar Hast verdrängte Meril Rohan aus seinen Gedanken und gesellte sich zu den Signalgebern und Langfingern, die sich bemühten, soviel von der alten Konstruktion zu retten wie noch verwendbar war. Das zerbrochene Weidengeflecht und die Fetzen des Unterbodens wurden auf ein Feuerfloß geschleppt, das in der Lagune trieb. Schon bald darauf nahm der äußere Grad der Verwüstung sichtlich ab.
Die Achtgroschenjungen hatten in ihrer Funktion als Netzflicker inzwischen das Netz gehoben und bemühten sich, es zu reparieren. Sklar Hast legte eine Pause ein, um sie zu beobachten; dann sprach er den Schreiber Roger Kelso an, der aus unerfindlichen Gründen mit nach Tranque übergesiedelt war. »Stell dir vor, wir würden ein dickes Netz aus schweren Trossen über der Lagune aufhängen. Wenn König Krakon dann in unser Gebiet eindringt, um sich vollzufressen, müßten wir es nur noch fallen lassen, und er wäre gefangen …« Er machte eine Pause.
»Und dann?« fragte Roger Kelso mit einem traurigen Grinsen.
»Dann fesseln wir ihn, ziehen ihn in die See hinaus und entbieten ihm unseren Abschiedsgruß.«
Roger Kelso nickte. »Das wäre möglich – unter optimalen Bedingungen. Aber ich habe zwei Einwände zu machen. Zunächst sind da seine starken Kinnbacken. Damit könnte er das Netz vor seinem Maul zerreißen. Dann müßte er nur noch seine Fühler auszustrecken, um mit ihnen immer mehr Netz ins Maul hineinzuziehen, und käme auf diese Weise
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