Der azurne Planet
würde schwer sein, alte Freundschaften wieder zu festigen oder anderen bedingungslos das Vertrauen zu schenken. Dennoch war Tranque ihre Heimat. Es gab keinen anderen Ort, an den sie ziehen konnten.
Mit der Behaglichkeit, die einst auf Tranque geherrscht hatte, war es nun vorbei. Ein Drittel der Hütten lagen in Schutt und Asche. Der Kornspeicher war zerstört und das darin gelagerte Mehl vernichtet; der stolze Signalturm lag in einem ineinander verschachtelten Gewirr aus Trümmerstücken da. Der Weg, den König Krakon quer durch die Plattform genommen hatte, war deutlich zu erkennen.
Am Morgen nach der Versammlung standen die Leute in Gruppen beieinander und redeten oder arbeiteten ziellos vor sich hin. Es war offensichtlich, daß man einander noch nicht über den Weg traute. Viele Menschen beobachteten diejenigen, die sie ein Leben lang kannten, schweigend aus den Augenwinkeln. Zu Sklar Hasts Überraschung war sogar Semm Voiderveg nach Tranque zurückgekehrt, und das, obwohl seine eigene Unterkunft ebenfalls von König Krakon in Mitleidenschaft gezogen worden war und nur noch eine zusammengefallene Ruine darstellte. Er schenkte seinem zerstörten Besitz einen betrübten Blick, begann dann in den Trümmern herumzustochern und förderte hier und da einen noch zu gebrauchenden Gegenstand zu Tage: ein Werkzeug, einen Topf, einen Eimer, Kleidungsstücke und einen Band der Auszüge, der sich allerdings aufgrund eines Risses im Unterboden voll Wasser gesogen hatte. Als Voiderveg merkte, daß Sklar Hast ihn ansah, zuckte er wütend die Schultern und marschierte auf die unbeschädigte Hütte von Schiedsmann Ixon Myrex zu, in der er jetzt wohnte.
Sklar Hast strebte seinem eigenen Bestimmungsort entgegen: der Hütte des Signalmeisters, die zwar ebenfalls einige Beschädigungen hatte hinnehmen müssen, aber noch einigermaßen beieinander war. Meril Rohan befand sich bereits an der Arbeit, schob kleinere Trümmerstücke beiseite und schichtete Teile aufeinander, die man eventuell wiederverwenden konnte. Sklar Hast begann schweigend, ihr zu helfen. Meril erhob dagegen keinen Einwand.
Schließlich fand sie unter einem umgestürzten Schrank, was sie gesucht hatte: einundsechzig in geschmeidiges graues Fischleder gebundene Bücher. Sklar Hast schleppte die Bände zu einer Bank und bedeckte sie, um sie vor einem eventuellen Regenschauer zu schützen, mit einer Folie aus Unterbodenhaut. Meril wollte sich gerade wieder der zerstörten Hütte zuwenden, als Sklar Hast sie bei der Hand nahm und auf die Bank zuführte. Ohne sich gegen ihn aufzulehnen, nahm sie dort Platz. Sklar Hast setzte sich neben sie. »Ich muß unbedingt mit dir sprechen.«
»Das habe ich erwartet.«
Ihr Verhalten brachte Sklar Hast beinahe aus dem Konzept. Was bedeutete ihre Antwort? Liebte sie ihn? Haßte sie ihn? War sie sich selbst noch nicht schlüssig geworden? Oder empfand sie ihm gegenüber lediglich Gleichgültigkeit?
Auch ihre nächste Äußerung verunsicherte ihn. »Ich bin mir meiner Gefühle in bezug auf dich nie so recht klar geworden. Ich bewundere deine Energie. Deine Entschlossenheit – manche nennen sie auch Rücksichtslosigkeit – beunruhigt mich. Was deine Motivation angeht, so kann ich sie verstehen, denn sie diskreditiert dich nicht. Aber deine Rücksichtslosigkeit und Sorglosigkeit gereichen dir eher zum Nachteil.«
Sklar Hast machte eine protestierende Handbewegung. »Ich bin weder das eine noch das andere! In Notfällen muß man eben handeln, ohne an die Folgen zu denken. Unentschlossenheit und Versagen sind zwei Seiten der gleichen Medaille.«
Meril deutete mit einer Kopfbewegung auf die Ruinen. »Und als was bezeichnest du das?«
»Es hat mit Versagen nichts zu tun. Es war ein Rückschlag, ein Unglück, eine Tragödie – aber wie hätte man ihr entgehen können? Angenommen natürlich, daß wir die Absicht hatten, uns von König Krakon zu befreien.«
Meril Rohan zuckte die Achseln. »Ich weiß darauf keine Antwort. Aber die Entscheidungen, die du allein gefällt hast, hätten zumindest von den anderen mitgetragen werden müssen.«
»Nein«, erwiderte Sklar Hast stur. »Wie weit würden wir kommen, wie schnell wären wir in der Lage zu reagieren, wenn wir in jedem Notfall dazu gezwungen wären, eine Ratsversammlung einzuberufen? Du weißt doch selbst, welche Verzögerungstaktiken und Aufschreie man in einem solchen Fall von Myrex und Voiderveg – selbst von deinem Vater – hätte über sich ergehen lassen müssen! Unter
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