Der Babylon Code
kann dieser Zerfallsprozess so verzögert sein, dass man noch intakte DNA oder zumindest intakte Bruchstücke findet. Haben die Knochen trocken gelagert?«
»Bei mir schon«, antwortete Chris. »Mein Vater hat das Ding in einer Schatulle aufbewahrt, und ich habe es nicht unter die Brause gestellt.«
Snider nickte. »Nun gut…«
»Kann ich auf die Analyse warten?«, fragte Chris aufgeregt.
»Wenn du Zeit hast.« Snider zuckte mit den Achseln. »Es wird ein paar Tage dauern. Zunächst müssen wir Material aus dem Knochen vorbereiten. Nur ein paar Gramm. Die müssen wir richtig schön mahlen. Das Knochenmehl werden wir mit phosphatgepufferter Salzlösung befeuchten, pipettieren, lysieren. Dann werden wir das Zeug wachsen lassen, bis wir genügend Untersuchungsmaterial haben. Wir füttern es mit einem Serum aus Saccharid und Aminosäuren. Anschließend werden wir die Zellteilung mit Colchicin-Derivaten unterbrechen. Wenn es denn wächst… denn nur während der Zellteilung ordnen sich die Chromosomen so an, dass sie uns ihre Geheimnisse verraten. Wir werden es mehrmals durch die Zentrifuge jagen, mit einem Gemisch aus Methylalkohol und Eisessig tränken und einfärben, damit man etwas erkennen kann. So geht das, und nicht huschhusch. Es ist was anderes, als eine Apfelscheibe unter das Mikroskop zu legen. Okay?«
»Okay!«
Snider nickte, und Chris folgte ihm in eines der Labore. Wie Snider zog er einen weißen Schutzanzug an, dazu Handschuhe,
einen Mundschutz und eine Maske, die den ganzen Kopf bedeckte und im Gesichtsbereich aus Plexiglas bestand.
Snider ging auf einen langen Tisch zu, der durch eine bis zur Decke reichende gläserne Trennwand geschützt war. Er schob ein Fenster in der Trennwand nach oben, sodass er mit den Händen in den Glaskasten greifen konnte, und legte den Knochen auf die harte Unterlage. An einem Haken hing ein beweglicher Schlauch mit einem Bohrkopf am Ende, nach dem Snider griff.
Er arretierte ein kleines Sägeblatt im Bohrkopf und schaltete das Gerät ein. Das hohe, böse Sirren erinnerte Chris an seinen letzten Zahnarztbesuch.
Plötzlich stand Jasmin Persson im Raum. In den Händen hielt sie mehrere ausgedruckte Fotos der Knochenstruktur.
Snider schaltete die Säge wieder aus und sah sie fragend an.
»Vielleicht noch eins, bevor ihr anfangt. Mir ist da etwas aufgefallen…«
»Was? Was ist auffällig?« Chris sah die Schwedin neugierig an.
»Ihr Männer seht immer das Offensichtliche nicht.« Sie lachte.
»Na, na«, brummelte Wayne Snider.
»Ich habe vor drei Monaten einen anderen Knochen unter dem Mikroskop gehabt. Die kleinen Kreise auf dem Knochen habe ich dort auch gesehen… Diese kleinen Kreise hier sind gebrochen. Das ist auffällig.« Sie hielt Snider und Chris zwei Ausdrucke hin und tippte mit ihrem Zeigefinger auf verschiedene Stellen auf den Bildern.
Snider starrte auf die Stellen, auf die sie gedeutet hatte.
»Du hast recht«, sagte Snider nach einer Weile. »Gebrochen, unterbrochen, irgendwie zerstört. Stimmt.«
»Praktisch alle«, sagte Jasmin Persson. »Bei dem anderen Knochen war das nicht der Fall.«
Chris hörte den nachdenklichen Ton in ihrer Stimme. Es klang so, als zweifle sie an irgendetwas.
»Der Knochen vor drei Monaten war eine kleine Hilfestellung für das Gerichtsmedizinische Institut. Ihr eigenes Gerät war lahmgelegt, und die Ersatzteile kamen einfach nicht. Ich habe mich damals mit dem Gerichtsmediziner unterhalten, als er sich die Bilder hier am Monitor angesehen hat.«
»Ja, und?« Snider grummelte ungeduldig los. »Was hat das denn nun für eine Bedeutung, wenn es überhaupt eine hat?«
»Der Gerichtsmediziner hat damals gesagt, dass die Osteone auch ein Anhaltspunkt für das Alter eines Menschen sein können. Bei jungen Menschen sind die Osteone intakt.«
»Ja… weiter.«
»Je älter ein Lebewesen, desto mehr sind zerstört. Diese hier sind praktisch alle gebrochen. Wenn das stimmt, was der Gerichtsmediziner mir sagte, dann ist dieser Knochen alt.« Sie legte den Kopf schräg und horchte auf ihre Stimme. Dann hob sie die Augen. »
Sehr
alt.«
Drittes Buch
DIE ENTDECKUNG
Der Gott der Bibel ist auch der Gott des menschlichen Genoms.
Francis Collins, Leiter des Humangenomprojekts
Kapitel 14
Vilcabamba, Ecuador
Montag
»Was treibt ihn, verdammt noch mal, hierher?« Zoe Purcell betastete angewidert die einfache, harte Pritsche und sah sich frustriert um. Ein kleiner Schrank, ein Tisch und zwei furchtbar harte Holzstühle – alles
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