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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Was, wenn der Händler gar nicht aus Gerolstein, sondern aus Daun kam? Was ist, wenn er aus Rockeskyll kam? Was ist, wenn er nirgendwoher kam? Ich will damit sagen, dass er möglicherweise an dieser Stelle für ein paar Tage so etwas wie ein festes Lager hatte. Weil er zum Beispiel damit rechnete, dass Leute mit Geld des Weges kamen. Ich stimme meinem Mann zu: Wenn der Bauer Schmitz ihn tötete, hätte er die Leiche verschwinden lassen. Den Karren und das Zugtier auch. Die waren nämlich Bargeld, das er nach Ihrer Theorie dringend brauchte.« Sie lächelte versonnen. »Das scheint so, als mache es alle Ihre Voraussetzungen kaputt, aber das ist nicht so. Rodenstock, sag was!«
    Rodenstock grinste und schnarrte: »Jawoll!« Dann drehte er sich zu Tessa. »Ich hoffe, der Berufskriminalist darf etwas bemerken. Angenommen, Sie würden mir den Fall vortragen, so würde ich nach kurzem Nachdenken nur an einer Stelle zu graben beginnen. Es ist die Stelle, die Sie selbst bereits erwähnt haben. Wir haben es mit preußischen Beamten zu tun, die damals tatsächlich so etwas wie den Status des Göttlichen innehatten.« Er grinste voller Ironie. »Es muss einen Grund geben, weshalb der Fall zu den Akten gelegt wurde, still und schweigsam. Und genau an dieser Stelle müssen Sie ansetzen! Und insofern ist es wirklich eine Gerolsteiner Geschichte: Denn der Arzt, der Richter und die Gendarmen kamen aus Gerolstein. Einverstanden?«
    »Einverstanden«, nickte Tessa. Sie hatte in diesen Sekunden sehr nah am Wasser gebaut, und Emma murmelte beschwichtigend: »Ach, Kindchen!«
    Und weil das gar nicht hilfreich war, weinte Tessa einen Moment, und der schweigsame Ingbert sah ihr dabei interessiert zu, als habe sie einen Anfall sonderbaren Hustens.
    »Ich habe noch Erdbeeren«, sagte ich in die Stille.
    Niemand wollte Erdbeeren, stattdessen schrillte irgendein Handy. Jeder griff sich in irgendeine Tasche, weil niemand wusste, wo es schrillte. Es war die übliche Idiotie. Emma war gemeint. Sie lauschte einen Augenblick, sagte dann ganz erschreckt: »Oh Gott, Kindchen!« und lauschte wieder. Schließlich steckte sie das Teufelsding zurück in ihre Handtasche und bemerkte zu Rodenstock: »Sie kommt nicht morgen, sie kommt heute, und sie steht vor der Tür und hat fast einen Weinkrampf. Könntest du vielleicht einmal kurz ... «
    »Ich fahre eben kurz an die Mosel«, murmelte er.
    »Du bist lieb«, sagte sie.
    »Das weiß ich«, murmelte er.
    »Tja, dann gehen wir mal«, sagte Tessa.
    »Tja, das scheint gut«, nickte Ingbert sachlich.
    »Wir sehen uns«, versicherte ich dümmlich, weil mir nichts anderes einfiel.
    »Ich lasse Ihnen meine Telefonnummer hier.« Sie schien sich beruhigt zu haben. »Und ich danke auch schön für die Hilfe.«
    Als sie fuhren, war Rodenstock längst vom Hof, und Emma stand malerisch in der Gegend rum und winkte ihnen nach. »Der wird sie nicht heiraten«, murmelte sie gedankenvoll. »Der wird wahrscheinlich niemanden jemals heiraten.«
    »Aber warum will sie, dass er sie heiratet?«
    »Sie hat sich das so ausgeguckt, und also will sie es so. Du verstehst Frauen eben nicht, mein Lieber. Wir können so unendlich dämlich sein.«
    »Und was halst du von dem Fall?«
    Sie sah mich an. »Wir werden ihn lösen, was denn sonst?«
    »Weil ich eigentlich keine Zeit habe«, sagte ich. »Die habe ich auch nicht«, erwiderte sie. »Trotzdem werden wir das Ding lösen und irgendwie weiterleben.«
    »Zu Befehl!«
    »Kann ich eines deiner Sofas haben? Ich bin eine alte Frau. Ich habs im Kreuz und in den Beinen und überall. Tessa ist richtig hübsch und richtig süß, aber heiraten wird er sie nicht. Oder später, nach der Pensionierung. Sie ist nämlich auch ein Teufel. Wäre das nichts für dich? Ich meine, zum Spielen, oder so.« Sie schlug sich auf den Schenkel. »Verdammte Tat, ich vergesse immer, dass du die Nase voll hast. Gehen wir rein? Ich fürchte um meinen edel-blassen Teint.« Sie sah aus wie jemand nach acht Wochen Gomera. »Und ich hasse mich, dass ich Rodenstock losgeschickt habe.«
    »Warum bist du nicht selbst gefahren?«
    »Weil ich ein faules Stück bin. Und weil er sowieso gesagt hätte: Ich mach das schon. Aber du hast recht, ich nutze ihn schamlos aus. Zu dem Fall: Siehst du eine Möglichkeit, weiterzukommen?«
    »Ja, wir werden uns darauf konzentrieren müssen, Kirchenbücher und so etwas zu lesen. Es gab Pfarrer in Lissendorf, Michelbach, Rockeskyll und Gerolstein, die aufgeschrieben haben, was los war.

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