Der Bär
wir wissen gar nichts. Kann es nicht sein, dass er als ehrenhafter Bürger unter Anteilnahme des Männerchores zu Grabe getragen wurde? Nach einem - was weiß ich – Herzanfall, Schlaganfall, Herztod?«
»Das wäre hilfreich, denn dann müsste es in den Akten zu finden sein.«
»Also brauchen wir die Abteilung Tod und Geburten. Und wir brauchen die Liste der Beerdigungen, die nach diesem Datum verzeichnet wurden.«
Wir hockten uns in den Garten, Emma wechselte dann auf eine Liege und schloss die Augen. »Ich werde etwas ruhen, sagte meine Mutter immer. Eine Minute später schnarchte sie wie ein Walross, und wir Kinder mussten auf Zehenspitzen gehen. Jedenfalls erzählte solche Sachen immer meine ältere Schwester.«
»Und wie hat die überlebt?«
»Auf einem alten Kutter im Rotterdamer Hafen. In einem Raum, der nicht größer war als anderthalb Quadratmeter. Sie hat nie erfahren, wie sie dorthin gekommen ist. Es war einfach so, basta.«
Eine halbe Stunde später rollte Rodenstock auf den Hof. Eine Weile war nichts zu hören, dann erschien eine Figur wie aus einem Kitschfilm. Die Frau war mittelgroß, trug irgendetwas Seidenartiges, Knallrotes. Sie hatte lange schwarze Haare, die zu einem Turban aufgetürmt waren. Und sie stakste auf meinem Rasen herum wie ein Storch im Salat. Sie sagte dauernd »uhuh!« und ging so vorsichtig, als sei sie nur provisorisch verschraubt. »Das ist aber sehr rustikal hier«, sagte sie mit einem Alt, der einem die Schuhe auszog. Sie trug den Hauch von goldenen Riemchensandalen am Ende ziemlich langer Beine. Sie sah Emma auf der Liege, und sie tirilierte: »Ach Gottchen, ist das anstrengend hier. Liebling, es ist so fantastisch, dich zu sehen. Also, was du da geheiratet hast, ist ja ziemlich beeindruckend. Der Mann ist ja so was von viril. Ach Gottchen, da ist ja noch einer. Und wer ist das?«
»Siggi Baumeister«, sagte Emma träge. »Und steig endlich aus dieser Andeutung von Schuh, und benimm dich wie eine Mitteleuropäerin, und küss mich nicht auf den Mund, das ist unhygienisch, und benimm dich so, als seist du ein menschliches Wesen, und rechne nicht damit, dass du etwas erbst.«
Rodenstock stand am Gartentor und lachte sich krank.
2. Kapitel
Das war also Esther aus Tel Aviv. Merkwürdigerweise war sie wegen Emmas ruppiger Begrüßung nicht im Geringsten beleidigt. Sie zischelte: »Also, geerbt habe ich genug. Mehr als du je besessen hast, mehr, als ich je verbrauchen ... ach nein, ich schaffe das schon. Sag mal, Tantchen, was treibt ihr denn so hier auf dem Acker?« Sie setzte sich in die Hollywoodschaukel und war sehr dekorativ.
»Wir wollen einen Mord klären«, murmelte Emma. »Da ist ein Mann erschlagen worden, und wir vertreten ab sofort Recht und Ordnung.«
»Tante Corona hat neulich auch gefragt, warum du dich denn dauernd mit blutigen Geschichten beschäftigen musst. Niemand in unserer Familie beschäftigt sich mit so was. Und Zinsen bringt es auch nicht und Ansehen kaum. Gottchen, muss das sein?«
»Das muss sein«, nickte Rodenstock. »Hattest du einen guten Flug?«
»Nicht gerade«, antwortete sie düster. »Ich habe diesen Meyer-Rebstock getroffen, den aus New York mit der feuchten Aussprache und den klammen Händen. Und er hat mir gesagt, was er so treibt, und schließlich hat er mir ein unsittliches Angebot unterbreitet. Und er war erstaunt, dass ich nicht wollte. Nein, es war kein guter Flug. Und Schlaf habe ich auch nicht gekriegt, ich bin nervös. Dieser Park hier macht mich auch nervös. War der Teich schon immer da? War das früher so ein alter Feuerlöschteich? Und die Ente da drauf, lebt die? Und goldige Goldfischchen, wie süß.«
»Es sind auch Erdkröten da«, murmelte ich. »So groß wie meine Hand. Und sie fauchen und speien Feuer, und manch mal kriechen sie an Land und fallen die Eingeborenen an. Ganz abgesehen von den alten Landaalen, die Jungfrauen jagen.«
Sie hatte einen breiten Mund. »Dann brauche ich keine Angst zu haben, das ist schon lange her. Aber sagen Sie mal, sind Sie ein Landwirt oder so was?«
»Er ist ein Sowas«, sagte Rodenstock. »Er ist ein Meister in Sowas. Und wie machen wir das jetzt, verdammt noch mal? Esther, hast du irgendwelche Verwandten, die du besuchen könntest, bis wir den Fall geklärt haben? Ich will nicht unhöflich sein, aber ... «
»Wer hat denn Verwandte in dieser Walachei?«, fragte sie spitz.
»Hören Sie auf«, sagte ich wütend. »Sie haben wahrscheinlich Ahnung, ob das Carlton in London
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