Der Bann (German Edition)
intensive Hitze, die explosionsartig aus der Öffnung schlug.
Glas splitterte. Qualm und Rauch, dicht, schwarz und giftig, quollen aus den geborstenen Fenstern. Aus dem Innern der Mühle drang ein Schrei. Dann nichts mehr bis auf das Brüllen und Knistern der Flammen.
Ihre Mutter war im Zentrum dieses Feuersturms. Leah hatte den Ausdruck in ihren Augen gesehen, und sie hatte gewusst, dass er nichts Gutes verhieß.
Aber nicht das. Es sprengte jede Vorstellungskraft.
Rote Flammen schlugen fauchend aus dem nächsten Fenster. In der Mühle kippte etwas Schweres krachend um. Das Wasserrad knarrte und quietschte und erzitterte auf seiner Achse. Unter sich hörte Leah das laute Krachen von berstendem massivem Holz.
Sie stolperte von der Plattform ins Gras. Das Feuer war zu einer lebenden Bestie geworden, Hunderten wild zuckenden Flammenzungen. Tief im Innern des Gebäudes hörte sie ein dumpfes Splittern. Das riesige Mühlrad erzitterte ein weiteres Mal, und diesmal verbog sich etwas und brach. Während es weiter vom Wasser in Bewegung gehalten wurde, geriet das Mühlrad ins Kippen, und die Schaufeln berührten das Mauerwerk. Sie explodierten in Bruchstücke, und der eiserne Rahmen knarrte und ächzte ohrenbetäubend. In einer einzigen furchtbaren Umdrehung zerlegte sich das mächtige Mühlrad selbst, verwandelte sich in einen Trümmerhaufen aus verbogenem Metall, Splittern und Staub. Stücke fielen ab und landeten klatschend im schäumenden Wasser darunter.
Dann flog die beschlagene Eichentür der Mühle weit auf. Im Innern toste ein Inferno aus schmutzig gelben Flammen.
Und im Eingang kauerte eine grausig anzusehende Gestalt, verkohlt und steif, menschlich und zugleich nicht. Das Gesicht der Kreatur war verbrannt, der Schädel schwarz. Die Kleidung stand in Flammen. Wie eine defekte Marionette machte sie drei ruckhafte Schritte, dann brach sie auf dem Gras zusammen.
Leah rannte auf sie zu. Riss sich ihre Jacke herunter und benutzte sie, um die Flammen zu ersticken. Sie verbrannte sich die Hände, doch irgendwie gelang es ihr, das Feuer zu löschen.
Sie wusste nicht, wer die Gestalt war. Doch sie wusste, dass sie zu schwer verletzt war, um zu leben. Ihre Finger, schwarz verkohlt, zuckten. Formten Klauen.
Gabriel trat auf die Bremse des Audi, und das Fahrzeug kam hinter dem verlassenen Jeep Cherokee zum Stehen. Beide Wagentüren standen offen. Niemand drinnen. Rechts unter den Bäumen stand das brennende Wrack eines zweiten Audi.
Barfuß, die Füße immer noch voll pulsierendem Schmerz von den Schussverletzungen, stieß er die Fahrertür auf. Wappnete sich innerlich gegen das, was er zu sehen bekommen würde, und humpelte zu dem brennenden Audi, um hineinzuspähen. Der Wagen war ebenfalls verlassen. Der Fahrersitz sah aus, als hätte sich jemand darauf zu Tode geblutet, doch wer immer dort gesessen hatte, es war niemand zu sehen.
«Sieh nur!»
Sebastien stieg auf der Beifahrerseite aus. Das Gesicht des alten Mannes war verkniffen vor Entsetzen, als er den Finger ausstreckte und auf die Säule aus Rauch und Flammen zeigte, die unten am Fluss aus der Mühle aufstieg. Aus einem der oberen Fenster flirrten winzige schwarze Schatten und kreisten aufgeregt um die Rauchsäule.
Davor kniete Leah über einem schwarzen Klumpen.
Am Ende hatte sie festgestellt, dass sie nicht in der Dunkelheit und im Gestank einer brennenden alten Mühle sterben wollte, mit niemandem als Gesellschaft außer Jakab und dem Kadaver irgendeines Tieres.
Obwohl das Feuer ihre Augen zerstört hatte und sie niemals wieder die Sonne erblicken würde und obwohl ihre Nervenenden verbrannt waren und sie die Wärme der Sonnenstrahlen niemals wieder spüren würde, war es ihr plötzlich wichtig erschienen, draußen zu sein.
Sie lag auf der Seite, spürte, wie ihre Muskeln zuckten, spürte, wie ihr Herz sich immer mehr abmühte, spürte, wie der Atem, der durch ihre verbrannte Kehle rasselte, schwerer und schwerer ging.
«Mami, bitte lass mich nicht allein.»
Wenn Hannah noch hätte weinen können, sie hätte es getan. Es war so grausam, dass ihr Leben auf diese Weise endete. Sie wusste, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, wusste, dass Leah nun frei war. Wusste, dass sie endlich, endlich den Fluch losgeworden war, der ihre Familie seit Generationen heimgesucht hatte.
Sebastien würde sich um ihre Tochter kümmern. Und wenn nicht er, dann Gabriel. Oder vielleicht Éva. Sie kannte diese drei Menschen noch nicht sehr lange,
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