Der Barbar
Geräusche noch schriller und noch lauter. Es konnte nur bedeuten, dass wir nicht mehr weit von unserem Ziel entfernt waren.
Purdy sprach mit flüsternder Stimme. »Das ist es doch, John. Ich weiß, woher die verdammte Musik stammt. Wir hören sie in Kopfhöhe, verstehst du? Die kommt nicht von oben, die ist in unserer Höhe.« Sie deutete gegen die Felswand. »Dahinter, daraus...«
»Okay, bleib zurück.«
Ich huschte an ihr vorbei, ehe sie protestieren konnte. Auch mir war jetzt einiges klar geworden. Es gab nur die Möglichkeit, dass der Barbar im Innern der Felswand hockte. Weil das so war, musste sie auch einen Eingang haben.
Es gab ihn. Nur musste ich schon genau hin-schauen, um ihn zu entdecken. Beinahe wäre ich an ihm vorbeigelaufen. Der Eingang versteckte sich etwas, geschützt wurde er von zwei schmalen und hochragenden Steinkanten, die versetzt standen und beinahe wie zwei Türpfosten aussahen.
Ich zwängte mich dazwischen.
Die schreckliche Musik peinigte meine Ohren noch stärker. Ich wusste aber, dass ich den Barbaren gefunden hatte. Auch dachte ich daran, wieder mit der Lampe zu leuchten. Das war nicht nötig. Mein Blick fiel nach vorn, und ich bekam große Augen.
In der Höhle und im Licht sah ich unseren Feind!
***
Er bot ein gewaltiges, ein kämpferisches Bild. Er hätte auch in die Szenerie eines alten Conan-Streifens gepasst. Dieser Bastard wirkte wie der Herrscher, dem alles untertan war. Er stand breitbeinig und hielt seine verdammte Kettensäge mit beiden Händen fest. Er ließ sie laufen und schien sich an den Geräuschen zu erfreuen. Jedes Detail konnte ich erkennen und sah sogar das Zittern des Sägeblatts. Der freie, muskelbepackte Oberkörper, das lange rockartige Unterteil, die Kapuze auf dem Kopf, das geschwärzte Gesicht, es passte einfach alles.
Die hellen Augen schienen alles zu sehen. Ich fühlte mich mehr als unwohl unter dem Blick, der mich zu sezieren schien. Die gesamte Gestalt des Barbaren strömte eine Drohung und Gefahr aus, die mich erschauern ließ. Er war auf das Töten programmiert, und mir ihn als Purdy’s Geliebten vorzustellen war verdammt absurd, auch wenn dies in einem anderen Leben passiert war.
Die Staatsanwältin hatte die Höhle ebenfalls betreten. Ich sah und hörte sie nicht, weil das Geräusch der Kettensäge alles andere übertönte. Ich spürte nur ihre Nähe. Purdy stand dicht hinter mir. Ich spürte ihre Körperwärme.
Der Barbar bewegte sich. Leider schaltete er die Kettensäge nicht ab. Er ließ sie nur sinken. Anschließend hielt er sie mit einer Hand fest, wobei er den linken Arm lässig hin- und herschwang.
Der Krach dröhnte in meinen Ohren. Auf meiner Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet. In meiner Brust spürte ich einen Druck, der sich immer mehr verstärkte. Ich hatte schon viele Kämpfe erlebt, aber ich ahnte, dass mir hier einer der schwierigsten bevorstand.
Die schrille Musik verklang. Ein paar letzte jaulende Töne noch, dann breitete sich Stille aus.
Jetzt meldete sich auch Purdy Prentiss wieder. »John, ich weiß, dass es zu einer Entscheidung kommen muss. Und ich sage dir, dass ich ihr nicht aus dem Weg gehen werde.«
»Wie meinst du das?«
»Ich... ich.« Sie wusste im Moment nicht mehr weiter, und ich drehte mich zu ihr um.
Sie kämpfte mit den Worten. Sie wusste genau, was sie sagen wollte, nur fiel es ihr verdammt schwer, die Worte zu formulieren. Um ihre Lippen herum zuckte es. In den Augen sah ich das Gefühl der Angst. Es war deutlich zu erkennen, weil es in dieser Höhle nicht dunkel war. Aus den Wänden und der Decke drang ein fahles Licht, ohne dass irgendeine Quelle zu sehen war. Es war so, als hätte sich das Licht draußen seinen Weg durch die Felsen gebahnt.
Ein derartiges Phänomen erlebte ich nicht zum ersten Mal. Oft gab es in diesen Welten Lichtquellen, deren Ursprung im Dunkeln lag, und das mussten wir auch hier so hinnehmen.
»Du wolltest etwas sagen«, erinnerte ich Purdy.
Sie zuckte leicht zusammen und schien widersprechen zu wollen, bis sie schließlich nickte. »Ja, John, ich wollte etwas sagen. Ich habe mich entschlossen.«
»Das hört sich irgendwie endgültig an.«
»Ist es auch.«
»Und?«
»Ich denke daran, dass ich es gewesen bin, die alles verursacht hat. Nur durch mich bist du in diese Lage gekommen. Es drehte sich bei ihm alles um mich. Er hat mich als Geliebte erkannt. Ich weiß ja selbst von meinem ersten Leben. Es ist ja keine Einbildung gewesen. Das kann ich nicht weg
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