Der Bastard und die Lady
ein Glück? Kaum zu glauben, dass ein Bastard sich zur Hochzeit mit einer Dame der feinen Gesellschaft erpressen lässt. Man möchte meinen, wenn schon, dann müsste es umgekehrt sein. Wahrscheinlich sollte ich mich geschmeichelt fühlen. Damit Sie es wissen, Chelsea: Ich fühle mich nicht geschmeichelt.“
Chelsea wandte den Blick ab, wollte nicht sehen, wie nervös er war. Denn sie war nicht schwach, das sollte er wissen. Sie war eine zum Äußersten entschlossene Frau. Selbst wenn er sie zehn Mal am Tag beim Baden störte, bekäme sie doch keine Angst vor ihm oder seinen lächerlichen Machtbeweisen, seiner offenkundigen Demonstration, dass sie ihm tatsächlich restlos ausgeliefert war.
Sie hatte im Grunde nicht weiter gedacht als bis zu ihrer Flucht aus Portland Place, bevor ihr Bruder, den Schlüssel in der Hand, zu ihrem Zimmer marschieren und sie einsperren konnte. Wie sie mit plötzlicher Verwirrung und Bestürzung erfahren musste, als sie am Boden gelegen hatte und der Körper ihres Frischverlobten ihr so verstörend nahe gekommen war, beinhaltete ihr Durchbrennen viel mehr als nur die Vereitelung von Thomas’ Plänen. Es würde Folgen nach sich ziehen.
„Das alles lässt sich auf Madelyn zurückführen, wissen Sie? Wenn sie sich nicht vor all diesen Jahren mit Ihnen hätte amüsieren wollen. Wenn ihre Kinder ihre Seuche nicht in Brean eingeschleppt und ihren Onkel beinahe umgebracht hätten, woraufhin Thomas Francis Flotley zu seinem geistlichen Berater ernannte.
Oder wir geben Ihnen die Schuld. Ich weiß, Sie waren jung, und Madelyn war schön – und hat Ihnen vermutlich Freiheiten gestattet, die Sie annehmen ließen, Ihre Werbung stieße auf offene Ohren. Mal ehrlich, Oliver. Wie kann ein Mann so naiv sein? Ich wollte Sie warnen, aber Sie waren so blind vor Liebe. Und diese alberne Weste und das Jackett, in dem Sie nicht mal richtig durchatmen, geschweige denn sich wehren konnten. Wie auch immer, ganz schuldlos an allem sind Sie auch nicht, oder?“
Darauf folgte ein ausgedehntes, peinliches Schweigen, und irgendwann sah sie ihn verstohlen an und fragte sich, ob sie zu weit gegangen war. Sie entschied dagegen. Schließlich hatte sie sich nicht in sein Bad geschlichen und ihn in die Wanne gebannt, während die Schaumbläschen platzten, oder? Nein. Deshalb konnte sie ihn, da sie noch lange nicht quitt waren, den ganzen Weg nach Gretna Green mit Worten traktieren, ohne die Waage ins Lot zu bringen.
„Ich mochte die Weste. Ich fand sie genial. Rückblickend, ja, das Jackett war zu eng geschnitten. Ich konnte die Arme nur bis auf Schulterhöhe heben. Allerdings war ich, ehrlich gesagt, nicht in der Erwartung nach Portland Place gekommen, mich körperlich wehren zu müssen.“
Chelsea stützte einen Ellenbogen auf den Tisch und legte das Kinn in die Hand. „Was genau hat Ihnen an dieser Weste gefallen? Der Stoff, der einen Menschen hätte blenden können, wenn die Sonne im richtigen Winkel darauf schien? Diese grauenhaften Querstreifen? Sie haben ausgesehen wie eine ausgeblichene Hummel. Und dann habe ich Sie dazu gebracht, den Blumenstrauß in den Garten zu werfen …“ Sie verbarg ihr Lächeln hinter der Hand. „Oh, tut mir leid, aber Sie müssen zugeben, es war wirklich genial, zu behaupten, Madelyn würde Blumen hassen. Sie waren geradezu starr vor Schreck. Es endete schrecklich, aber anfangs war es ziemlich amüsant. Wir blicken auf eine gemeinsame Geschichte zurück, Oliver, ob es uns passt oder nicht.“
„Ja, das ist wohl so. Doch ob wir eine gemeinsame Zukunft haben oder nicht, das steht noch in den Sternen. Und ich fürchte, ich muss Sie auf unserem Weg nach Gretna Green noch öfter Gefahren aussetzen, aber es lässt sich nicht vermeiden. In Blackthorn machen wir Halt. Die Frau meines Vaters ist gestorben.“
Schockiert blickte Chelsea auf den gefalteten Brief und dann in Beaus Gesicht. „Oh, es tut mir so …“ Sie unterbrach sich, wusste nicht, was sie sagen sollte. Sprach man dem Sohn einer Geliebten sein Beileid aus, wenn die Frau des Liebhabers gestorben war? „Ja, das ist sehr traurig.“
„In der Tat. Abigail war ein guter Mensch. Meine Mutter wird am Boden zerstört sein, wenn sie es erfährt. Mein Vater hat bereits einen Boten ausgeschickt, der sie suchen und nach Hause holen soll, und ich habe einen auf Puck angesetzt, damit er seine Parisreise abbricht. Gott allein weiß, was mit Jack geschieht, denn ich bezweifle, dass irgendwer auch nur seinen Aufenthaltsort kennt.
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