Der Bastard und die Lady
zwei Mal entlanggeritten und wusste, dass sie in ziemlich gutem Zustand war. Dank seiner Kenntnis des Wegs und dank des Vollmonds war Beau zuversichtlich, dass der Ritt nicht länger als eine halbe Stunde dauern würde, auch wenn Chelsea ihn begleitete.
Und wenn einer der mutmaßlichen Wegelagerer aus dem Gasthaus sie behelligte – nun, er war ohnehin in gewaltbereiter Stimmung, das würde schon in Ordnung gehen.
Vor ihrem Aufbruch hatte er einen Blick in den Schankraum geworfen und die zwei angehenden Mörder gesehen, die er dank Chelseas Beschreibung sicher erkannte. Zum Glück war der Schankraum, der den ganzen Tag über wenig besucht war, jetzt voll von Gästen des Hauses, sämtlich Männer, alle dunkel gekleidet, alle mit dem wachsamen, argwöhnischen Blick eines Menschen, der bereit war zu kämpfen oder zu flüchten, wenn er Gefahr witterte. Wahrscheinlich würden die meisten sich gegen Mitternacht auf den Weg machen, um die erstbeste Kutsche zu überfallen.
Beau wusste, dass es nüchtern gesehen gut so war, denn er konnte darauf verzichten, an diesem Abend einen voraussichtlichen Dieb zu verprügeln; er wollte sich seinen Zorn für Jack aufsparen.
Beau hatte geplant, Chelsea zu wecken, nachdem sie sich geliebt und ein paar Stunden geschlafen hatten, um das Gasthaus dann auf die gleiche Weise zu verlassen wie das letzte: vor dem Morgengrauen und sehr leise. Er war sich vorgekommen wie ein altes Weib, das überall Gefahren sah. Er hätte besser auf sein Bauchgefühl hören und mit dem Baron und dem Gutsherrn das Gasthaus verlassen und weiter reiten sollen, bis er ein anderes kleines Dorf und eine Unterkunft mit weniger bedrohlicher Atmosphäre fand.
Doch er wollte Chelsea in seinem Bett. Er wollte sie nie woanders als in seinem Bett, das konnte er sich ruhig eingestehen. Eingestehen und weitermachen. Irgendwie wieder einigermaßen zur Vernunft kommen. Sie war nicht, was er sich gewünscht hatte, denn von Frauen hatte er sich nie etwas gewünscht, von Frauen hatte er nichts erwartet.
Sie war die perfekte Rache. Diese reife Pflaume, die ihm unverhofft in den Schoß gefallen war. Mehr sollte sie für ihn nicht sein.
Doch jetzt wurde sie zu seinem Entsetzen ganz einfach alles für ihn.
Wie war es dazu gekommen? Wann war es dazu gekommen?
Und was zum Teufel wollte er dagegen unternehmen? In wenigen kurzen Tagen war seine ganze Welt auf den Kopf gestellt, sein Leben anscheinend in zwei Teile getrennt worden: vor Chelsea, seit Chelsea.
Er wollte nie erfahren müssen, wie das Leben wäre, wenn es irgendwann unter nach Chelsea zusammengefasst werden müsste.
Er musste es ihr sagen. Er musste all seine Versicherungen, seine Beteuerungen, seine Entschlossenheit, ein eigenständiger Mann zu sein, herunterschlucken und zugeben, dass er dieser Mann nicht mehr war. Er war ein Mann, dessen Herz in einer bestimmten kleinen Hand lag.
Das sollte ihm nicht so schrecklich erscheinen, doch es war so. Er hatte zu lange in der Überzeugung gelebt, dass Liebe nichts für ihn war; er wollte sie nicht, er würde sie nicht mal erkennen, wenn sie zu ihm käme und ihm mit den Fingerknöcheln an die Stirn klopfte.
Und doch … und doch war sie oder zumindest etwas, das ihr sehr nahe kam, jetzt da. Hatte zuerst an die Tür seines Herzens geklopft, war aber jetzt darin, packte aus, richtete sich ein, machte sich breit.
Chelsea mochte ihn, sie hatte sich ganz wunderbar auf ihre körperliche Vereinigung eingelassen, selbst wenn sie die vorbedachte Entscheidung getroffen hatte, ihre Unschuld an ihn zu verlieren, damit ihr Bruder ihre Ehe nicht annullieren konnte. Sie war eine Frau mit Mut und Entschlossenheit. Das bedeutete jedoch nicht, dass sie ihn womöglich liebte.
Ihr praktischer Verstand war erschreckend, wie auch ihr Verhandlungsgeschick, um für sich das Bestmögliche aus einem Handel herauszuschlagen. Und sie schien zufrieden mit ihrem Los zu sein und erfüllte ohne mit der Wimper zu zucken ihren Teil des Abkommens.
Aber was würde sie davon halten, wenn er ihr sagte, zum Teufel mit ihrem Bruder, mit der Rache, mit dem Reverend Flotley und der ganzen verdammten Welt? Wenn er ihr sagte, dass er glaubte, sich in sie verliebt zu haben – was ganz gewiss nicht Teil ihres Abkommens gewesen war –, und dass er wollte, dass ihre Heirat viel mehr wäre als der gegenseitige Nutzen, den sie noch vor wenigen Tagen darin gesehen hatten? Er hatte ihr längst verziehen, dass sie ihn in ihren Plan hineingezogen hatte, und hielt ihn
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