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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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letzten Tagen der langen Wallfahrt gewesen. Im Juni
Anno Domini
1099 hatte die
militia
endlich Jerusalem, unser ersehntes Ziel, erreicht. Die Stadt wurde von Ägyptern verteidigt, und um uns das Leben schwerzumachen, hatten sie in der ganzen Umgebung Scheunen verbrannt und Brunnen vergiftet. Mitten im geschäftigen Gewühl der Vorbereitungen zum Sturm auf die Mauern war ich hin- und hergerissen, denn auch Nouras Zeit war gekommen. Sosehr ich mir wünschte, ihr bei der Geburt unseres Kindes beizustehen, konnte ich mich doch meiner Heerespflicht nicht entziehen. Auch Noura war unruhig gewesen, aber nicht vor Sorge. Im Gegenteil, die letzten Tage ihrer Schwangerschaft durchlebte sie in einem seltsam verklärten Zustand erregter Erwartung und Vorfreude, der trotz der Last des schweren Leibes ihr Gesicht leuchten ließ. Nichts um sie herum schien mehr Bedeutung zu haben als das Kind in ihrem Leib und die Flamme unserer Liebe, nichts konnte ihre Zuversicht erschüttern. Auch um mich, der bei der Belagerung täglich den Pfeilen des Feindes ausgesetzt war, bangte sie nicht. Die Jungfrau Maria würde ihre Hand über uns halten, sie fühle dies ganz stark, versicherte sie mir lächelnd. Kundige Weiber aus dem Lager würden ihr die Arbeit abnehmen und ihre Niederkunft begleiten, so hatte sie mich immer wieder beruhigt.
    Und so, am fünfzehnten Tag des Monats Juli, ich glaube in der Mittagsstunde, als die ersten Kämpfer Godefrois von Bolhon die Mauer erklommen und wir Provenzalen unter großen Verlusten nachstießen und in die Straßen der Stadt eindrangen, in eben dieser Stunde erblickte Adela das Licht der Welt.
    Wir haben es immer als Fügung Gottes betrachtet, dass unser Kind am Tag der Befreiung des Grabes Christi geboren wurde, gewiss ein Zeichen Seines Wohlwollens und Segens für ihr ganzes Leben. Und es ist wahr, dass Adela eine glückliche Natur geworden ist, eine Freude für alle, die mit ihr Umgang haben.
    Verdreckt von Ruß, Staub und dem Blut des Feindes, übel stinkend vom Schweiß der Schlacht war ich zurück ins Lager getaumelt, wo Noura mich sichtlich geschwächt, aber von Glück und Freude überwältigt empfangen hatte. Arm in Arm verbrachten wir die Nacht. Die Stadt war eingenommen, alles Schreckliche hatten wir überlebt und nun dieses winzige Wesen zwischen uns, ein Geschenk der Liebe, ein Geschenk der Mutter Gottes. Unsere Hoffnung blühte auf. Mit dem Kind würde eine neue Zeit anbrechen, so glaubten wir.
    Bei diesen Erinnerungen verspürte ich körperlichen Schmerz in der Brust und das atemlähmende Gefühl, nicht nur von Noura, sondern von Gott selbst verlassen zu sein. Endlose und bittere Vorwürfe machte ich mir, denn wie hatte ich Adela nur so vernachlässigen können?
    Eine Stunde war vergangen, als an einer Wegbiegung eine große Schafherde unser Fortkommen behinderte. Ungeduldig warteten wir, dass der Schäfer die Tiere zur Seite trieb. Ich lenkte Ghalib neben Hamids Gaul. Seit Tripolis hatte er meinen Blick gemieden.
    »Du weißt, die harten Worte nehme ich dir nicht übel.«
    Ein kurzer Seitenblick, dann erschien ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. »Ich habe vielleicht übertrieben.«
    »Nein, du hättest es mir nur schon früher sagen sollen. Nouras …« Das Wort Tod wollte mir nicht über die Lippen kommen. »Ich meine, seit …«
    »Niemand weiß besser als ich, Jaufré, wie schwer so etwas ist.«
    Wir schwiegen und warteten, dass die Herde den Weg frei machte. Der Hirte brüllte und warf Erdklumpen nach Trödlern unter den Schafen, und seine Hunde liefen auf und ab und schnappten nach den Beinen der blökenden Tiere. Hamid legte mir die Hand auf den Arm.
    »Adela ist jetzt wichtiger als deine Trauer um Noura, aber das weißt du selbst. Ich möchte euch beide wieder frohen Mutes sehen. Und deinen Schmerz wird es lindern, dich um jemand anderen als um dich selbst zu kümmern.« Die kleine Spitze hatte er sich nicht verkneifen können.
    Damit spornte er sein Pferd an und ritt durch die Lücke, die die Hirtenhunde endlich frei gemacht hatten. Ich folgte ihm. Auf dem Rücken seines schnellen Araberhengstes war mein Freund eine stattliche Kriegergestalt. Wie immer bewaffnet wie wir Franken, darüber einen weiten arabischen Umhang, der im Wind wehte, und nach Art der Beduinen ein langes Tuch um den Helm geschlungen. Wir fielen in den leichten, meilenfressenden Trab, den die Pferde über Stunden durchhalten konnten. Hinter mir wusste ich Arnaud, den alten Haudegen, dann Severin und Guilhem.

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