Der Bastard von Tolosa / Roman
trotz Übermüdung und pochender Schläfen fühlte meine Seele sich zum ersten Mal seit Tagen wieder frei. Auch verspürte ich keine Gewissensbisse, denn, obwohl etwas beschämt, in einem Freudenhaus aufzuwachen, so schien von mir die tiefe Schwermut der letzten Tage gewichen. Dafür war ich Barbara dankbar, und sogar Noura, die den Freuden des Leibes sehr zugetan gewesen war, hätte es verstanden. Jedenfalls bildete ich mir das ein.
Rasch kleidete ich mich an und schlüpfte in die Stiefel. Zuletzt legte ich den Schwertgürtel an. Für einen Augenblick lang nahm ich noch einmal auf der Bettkante Platz. Es war, als spürte ich noch die Liebkosungen ihres nackten Körpers auf meiner Haut. Sie hatte kräftige, fleischige Frauenschenkel. Ich strich ihr sanft darüber, und sie murmelte etwas im Schlaf.
Ein aufgeregtes Klopfen an der Kammertür, dann schaute ein zerzauster Mädchenkopf herein. »
Senher
Jaufré!«, flüsterte die junge Dirne. »Man verlangt nach Euch!«
»Weiß schon. Bin gleich unten.«
Der Mädchenkopf verschwand wieder. Aber nun war Barbara aufgewacht, fuhr hoch und blinzelte mich verwundert an. »Komm ins Bett, Geliebter«, murmelte sie verschlafen und kratzte sich abwesend die schweren Brüste. »Es ist noch früh.«
»Nicht jetzt,
bella.
Ein andermal.«
Sie schmollte, deutete einen Kuss an, warf sich zurück aufs Lager und drehte mir ihr herrliches Hinterteil zu. Tatsächlich wäre ich gern wieder zu ihr ins Bett gestiegen. Ich wollte gerade ein Goldstück neben die Waschschüssel legen, als sie schläfrig brummte: »Und ich will kein Geld von dir, hörst du? Komm nur wieder.«
Ich strich ihr abermals über die Fesseln und legte zuletzt meinen Mantel um. Bald erklang wieder ihr leises Schnarchen, während ich aus der Kammer trat und die Tür hinter mir zuzog. Auf der Stiege verstreut lagen Kleidungsstücke, die sich um meine Stiefel und Sporen wickelten, so dass ich fluchend stolperte und beinahe hinuntergestürzt wäre. Der Lärm bewirkte laute Proteste unten aus den Bettnischen. Ein Stiefel kam in meine Richtung geflogen, gefolgt von einem wütendem:
»Va en enfer, fil de putas!«
Das musste Guilhem gewesen sein, der mich einen Hurensohn nannte und zur Hölle wünschte.
Ohne triftigen Grund hätte Hamid mich nicht hier rausgeholt, und das beunruhigte mich. Auf der Straße empfingen mich die Hunde mit Gejaule und freudiger Erregung. Die Luft war so kalt, dass ihr Atem dampfte. Es musste noch sehr früh am Morgen sein. Mich fröstelte. Da standen Hamid, Arnaud und der junge Severin mit ihren Gäulen, und ich erkannte auch meinen
escudier
Alexis, der Ghalib und ein weiteres Pferd am Zügel hielt. Außer Alexis waren alle in voller Kampfrüstung und blickten mir ernst entgegen.
»Was ist los? Ist der Feind im Anzug?«
»Schlimmer!«, knurrte Arnaud.
»Was kann schlimmer sein?«
»Adela ist verschwunden«, war Hamids grimmige Antwort.
Meine Freunde standen da und blickten mich mit kümmerlichen Mienen an. Der junge Severin starrte verlegen auf seine Füße. Mir fuhr ein eisiger Schreck in die Glieder, und das Herz klopfte wie wild im Hals. Adela verschwunden?
»Ich glaube das nicht!«, schrie ich Arnaud an. »Sie war doch in eurer Obhut.«
Arnaud schluckte und erwiderte mit tonloser Stimme: »Sie ist mit den Kindern in die Schlafkammer gegangen. Irgendwann in der Nacht ist sie dann verschwunden. Euthalia hat es gemerkt, als sie kurz nach den Kleinen gesehen hat. Daraufhin haben wir die ganze Festung abgesucht. Bis in alle Winkel.«
Hamid wies Alexis an, mich zu wappnen. Der holte zuerst mein schweres Lederwams vom Rücken seines Pferdes. Ich blickte fragend in ihre Gesichter.
»Wozu die Waffen?« Meine Stimme war heiser vor Sorge. »Denkt ihr, sie ist entführt worden? Mitten aus der Festung heraus?« Hamid schüttelte den Kopf. Warum redeten sie nicht, verflucht? Ich suchte nach anderen Möglichkeiten. »
Paire
d’Aguiliers. Dort könnte sie sein. Zu dem hat sie Zutrauen gefasst.«
»Nein. Der hat sie zuletzt zusammen mit dir gesehen.«
»Que deable!«
Ich versuchte verzweifelt, mir vorzustellen, was in einem kleinen Mädchenhirn vorgehen könnte. War dies ein Spiel? Aber warum nur? Und wo konnte sie sein?
»Wir haben alles durchkämmt«, seufzte Arnaud, der sich sichtlich unwohl fühlte. »Mein Gott, Jaufré, die halbe Truppe hat sich an der Suche beteiligt. Vom Verlies bis zu den Wachtürmen. Nichts zu finden.«
Der junge Severin fügte hinzu: »Ein paar Leute und ich haben die
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