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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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entschlossen!
    Aimar mochte jung sein, doch ich würde Jacobus und seiner Wahl vertrauen. Der Mönch sollte alles von Bedeutung erfahren. Auch über Noura. Damit mein Sohn Raol eines Tages verstünde, warum ich, anstatt zu ihm und seiner Mutter heimzukehren, so lange in Outremer geblieben war. Nicht, dass es wirklich eine Entschuldigung dafür gab, nur, diese Dinge hatte ich ihm damals nicht sagen können. Nun war es Zeit, reinen Tisch zu machen. Und wie soll ein Sohn seinen Vater verstehen, ohne etwas von dessen Frauen zu erfahren.
    Vor allem aber galt es, dem Mönch die Einzelheiten über
l’eretat tolosana,
dem geheimen Erbe Tolosas, anzuvertrauen. Wie ich zuerst von dem Testament erfahren habe, von dem Macht, aber auch tödliche Gefahr ausgeht. Fast hätte es unser aller Leben, unser Dorf und unsere
familia
in einem Strudel der Gewalt verschlungen und zerstört. Aimar würde sich das alles gut merken müssen, um es an Raol und dessen Söhne weiterzureichen, was auch immer sie selbst später damit anfangen mochten.
    Plötzlich sah ich wieder die Mörderfratze von Ricard de Peyregoux vor mir, dem Schänder und Totschläger. In Outremer war es gewesen, vor einundzwanzig Jahren, als ich ihm zuerst begegnete. Ja, der Faden der Erzählung sollte mit diesem vermaledeiten Raubzug beginnen, als wir weit in Feindes Land einer reichen Karawane nachjagten.

[home]
In Outremer
    Im Monat März, einundzwanzig Jahre früher, im elften Jahr nach der Befreiung des Heiligen Grabes zu Jerusalem, Anno Domini 1110

Hinterhalt im Libanon
    Maria Annunziata, die Verkündigung des Herrn
    Sexta Feria, vormittags, 25. Tag des Monats März
    W ir waren müde und in gedrückter Stimmung. Mehr als eine Woche hatten wir im Sattel verbracht und doch nichts vorzuweisen. Die Karawane war entkommen, die Männer darüber enttäuscht und verärgert. Vielleicht waren wir deshalb unvorsichtig und dachten weder an Feind noch Gefahr.
    Selbst die Pferde bewegten sich erschöpft und lustlos auf dem steinigen Pfad von den verschneiten Höhen des Libanon hinab. Ihr Atem dampfte in der eisigen Bergluft. Außer dem Klappern der Hufe und dem leisen Klirren des Zaumzeugs war es sehr still hier oben im Gebirge. Einige der Männer trugen gefütterte Handschuhe oder hatten sich den Mantel eng um die Schultern und halb über das Gesicht gezogen. Mein junger, syrischer Knecht Alexis trug die Stiefel mit Stroh ausgestopft und blies schlecht gelaunt auf seine starren Finger.
    Unser Trupp bestand aus hundert bewaffneten Reitern. Dazu ein Dutzend Reitknechte auf Ersatzpferden sowie zwanzig Maultiere mit Mundvorrat und Ausrüstung. Keine große Streitmacht, aber ausgesuchte Kerle der Besatzung von Mons Pelegrinus, der Burg unseres Herrn vor Tripolis. Wir befanden uns auf dem Rückweg, in unsicherem Gebiet, weshalb die Reiter volle Kampfausrüstung trugen. Kettenpanzer, langer Normannenschild, Helm, Schwert und Lanze.
    Es war schon Ende März, und heute feierten wir Mariä Verkündigung und Beginn des Frühlings. Aus diesem Grund hatte Kyriacos, unser einheimischer Führer, vorgeschlagen, den kürzeren Weg zurück durch die Berge zu nehmen. Eine gewagte Entscheidung, denn trotz der Jahreszeit lag tiefer Schnee in den Pässen.
    Nebelfetzen behinderten die Sicht. An schwierigen Stellen saßen wir ab und führten die Pferde am Zaum. Oft war die verschneite Straße schlecht zu erkennen, und einmal mussten wir uns mit Hilfe unserer Schilde den Weg durch Schneewehen graben. Später rutschte eines der Packtiere ab und riss ein zweites in einer Wolke aus Schnee und Geröll in die Tiefe. Beide Tiere lagen verletzt und jämmerlich schreiend auf den scharfkantigen Felsen, eines mit gebrochenem Rückgrat. Der Anblick verschlug uns den Atem, als sähe man sich selbst dort unten liegen.
    Ich schickte Knechte mit Seilen hinunter, um das Wichtigste an Ausrüstung zu bergen. Die Schreie der Tiere dauerten uns, und so schnitten die Männer ihnen die Kehle durch. Ihr Blut spritzte in zuckenden Fontänen und hinterließ dampfende, grellrot leuchtende Flecken im Schnee. Ich musste lange gebannt darauf starren, und später, wenn ich an diesen Tag zurückdachte, war mir das Blut im Schnee immer wie ein dunkles Omen erschienen, das ich damals nicht zu deuten gewusst hatte.
    Dann waren die Männer mühevoll mit ihrer Last auf dem Rücken zu uns heraufgeklettert. Halb stiegen sie, halb zerrten wir sie an den Seilen hoch. Durchgefroren und übel gelaunt setzte sich unsere Kolonne vorsichtig wieder

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