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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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hinabzusteigen.
    »Versprich mir eins, mein Sohn«, fügte ich halb im Scherz hinzu. »Solltest du wirklich eines Tages nach Outremer gelangen, so suche nach einem kleinen Dorf von Maroniten in den Hügeln über Tripolis, etwa vier Stunden entfernt.« Ich nannte ihm den Namen des Ortes. »Der Priester dort, der hieß Georgios. Er war noch jung, sprach fürchterliches Latein. Vielleicht lebt er noch. Dann grüß ihn von mir.«
    »Ich will es tun, Herr.« Sein Gesicht hatte einen sehnsüchtigen Ausdruck angenommen. »Eines Tages. Bestimmt.«
    »Und neben der Kirche ist ein Grab. Dort sollst du Blumen niederlegen.«
    »Wer liegt dort begraben?«
    »Sie hieß Noura und war einmal mein Weib.«
    Erinnerungen überfielen mich und lang totgeglaubte Gefühle. Und so nahm ich kaum zur Kenntnis, wie Aimar mich erstaunt ansah und dann schweigend das Turmgemach verließ, als er merkte, dass ich in Gedanken an einem anderen Ort weilte.
    Wie immer, wenn ich an diese Jahre zurückdenke, tauchten Bilder auf, die mich bewegten, ja beunruhigten. Fremdartige Landschaften wechselten mit dem gespenstischen Anblick blutender Leiber und modernder Gebeine. Ich vermeinte die Hörner zu hören, die zur Schlacht riefen, und immer wieder Gesichter, die aus dem Dunkel der Vergangenheit auftauchten und still an mir vorüberzogen. Erschlagene Feinde, trauernde Frauen, gefallene Kameraden, die ich vermisste, Menschen, die ich geliebt hatte.
    Und da waren Blicke. Ich konnte mich gut an Blicke erinnern. Das spöttische Grinsen meines Freundes Pilet, als er mir Tage vor seinem Tod noch fröhlich zutrank. Oder Nouras Lächeln und ihre leuchtenden Augen, wenn sie ihr Gewand abstreifte und sich im Schein der Kerzen zu mir legte.
    Noura. Mein Gott, so lange ist das her. Zwölf gute Jahre hatten wir miteinander verbracht. Umso betrüblicher, dass ich inzwischen Mühe hatte, mir Einzelheiten ihres Antlitzes ins Gedächtnis zu rufen. Ist das alles, was einem zuletzt bleibt? Nur solche schemenhafte Erinnerungen?
    Sie war Armenierin gewesen, Christin wie wir. Trotzdem hatten ihr die johlenden Horden der Plünderer beim Sturm auf Antiochia alles genommen. Allein das nackte Leben hatte ich ihr retten können. Sie entstammte einer wohlhabenden Familie, sprach Griechisch und Latein, war der Schrift kundig und las mir nachts von Alexander oder den Helden Trojas vor. Dabei war ihre Stimme sanft und voller Musik. Ich lauschte oft mehr ihrer Stimme als den Geschichten und erntete einen Stoß in die Rippen, wenn ich wagte, einzuschlafen. Noura bewegte sich mit Anmut, beherrscht und würdevoll. Jedermann liebte und achtete sie, besonders meine Krieger auf der Festung Mons Pelegrinus, denn sie nahm sich für jeden Zeit, pflegte Verletzte und verband ihre Wunden. Dabei wussten nur wenige, dass sich hinter der zur Schau getragenen, heiteren Gelassenheit ein leidenschaftliches Wesen verbarg. Nouras Liebe und Treue zu einem Menschen waren ohne Fehl, aber ihr Zorn, einmal heraufbeschworen, konnte Funken sprühen, dass es eine Pracht war. Ihre innere Glut zeigte sich auch in anderer Weise, denn mit zunehmenden Jahren legte sie ihre mädchenhafte Scheu ab und wurde immer begieriger, mit mir alle Freuden der leiblichen Liebe auszukosten.
    Die Wohltat täglichen Badens hatte sie mich gelehrt, wie es in den heißen Ländern üblich ist, und viele andere Dinge mehr. Ich lehnte mich zurück in meinem Stuhl, schloss die Lider und wähnte mich zusammen mit ihr im warmen, wohlriechenden Wasser, spürte ihre sanften Hände über meinen Leib gleiten und Lippen, die mich verspielt an geheimen Stellen liebkosten, bis wir nicht mehr warten konnten. Und dann ihre duftende Haut, noch viel glatter und betörender als die Seide der Kissen, schwingende Brüste über mir, ein halb geöffneter, stöhnender Mund, der vor Verzückung starre Blick und ihr heißes Fleisch, das sich mit einer fast schmerzhaften Hingabe an mir ergötzte.
    Jes Maria!
    Ich sprang auf und trat ans Turmfenster, um tief durchzuatmen und meine unzüchtigen Wallungen zu beherrschen. Dann musste ich grinsen. Das war zu viel für einen armen, alten Mann ohne Weib zur Hand, um seinen Hunger zu stillen. Über die abklingende Erregung legte sich nun die süße Trauer um längst vergangene Tage, wie die sanften Abendschatten dort draußen, die von den Bergen herunterkrochen und sich über die Landschaft breiteten. Manchmal kam es mir vor, als würde die Einsamkeit mit den Jahren immer erdrückender.
    Wohlan, ich war

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