Der Bastard von Tolosa / Roman
in Bewegung.
Graf Bertran fluchte über die Kälte, doch er wies die Pferdedecke zurück, die ihm sein Schildträger umhängen wollte. Palmen und Wüsten habe er erwartet, knurrte er missmutig, während er sich die Hände gegen die Oberarme schlug, aber nicht, dass einem die Eingeweide einfrören. Sein Atem dampfte in der eisigen Luft. Dabei sah er mich an, als sei ich für das Wetter zuständig.
Bertran war erst seit Mitte letzten Jahres in Outremer. So nannten wir das für die Christenheit gewonnene Land entlang der levantinischen Küste. Nun war er Heermeister und
dominus
über die Eroberungen seines Vaters und bereits der dritte Kriegsherr, unter dem ich hier zu dienen hatte. Vierzehn Jahre war es her, seit ich als Grünschnabel ausgezogen war, und elf Jahre seit der Befreiung Jerusalems. Inzwischen war ich an das Leben hier gewöhnt, aber für Bertran, frisch aus der Heimat, musste alles noch sehr befremdlich wirken.
Meine Gedanken wanderten zu jenen Gegenden am anderen Ende der Welt, die wir Provenzalen Heimat nennen. Grüne Wälder, silberklare Bäche in den Wiesen. Auf den Gebirgsspitzen läge jetzt noch Schnee, aber die Bauern würden schon die Pflüge ausbessern und das Saatgut prüfen. Und ich sah die Burg meiner Familie vor mir, im Licht der untergehenden Sonne, so wie ich sie in Erinnerung hatte. Eigentlich hätte ich schon vor langer Zeit heimkehren sollen, wie andere auch. Aber Gott hatte es anders beschieden, und inzwischen hatte ich Familie in Outremer und war schon halb verwurzelt. Ich sage halb, denn als Fremder in einem feindlichen Land … Aber darüber wollte ich nicht grübeln.
Was die Seele zusammenhält, besonders in der Fremde, ist die Gemeinschaft der alten Gefährten, die Verbundenheit von Männern, auf die man sich blind verlassen kann. Unter den Reitern war mein Kriegskamerad Guilhem
lo Galinier,
so genannt, weil er, schlimmer als ein Gockel seinen Hühnern, jedem losem Weibsbild nachsetzte, gleichwohl ob hübsch oder hässlich. Im Schlachtgetümmel gab es keinen Besseren, um einem den Rücken zu decken, außer vielleicht Hamid, mein arabischer Freund, der sich wie immer an meiner Seite befand. Er hatte den Umhang weit über das Kinn gezogen, die Gesichtshaut war grau und nicht von seiner üblichen mattbraunen Farbe.
»Wir sehen nicht wie Ritter aus, eher wie vermummte Derwische«, lachte ich, bekam jedoch nur ein mürrisches Knurren zur Antwort.
Hamid war Muslim, schien seinen Glauben aber eher leicht zu tragen, denn ich sah ihn nur gelegentlich beten. Vielleicht weil er als entflohener Sklave keine Gnade von seinen muslimischen Brüdern zu erwarten hatte. Ursprünglich war er aus Damaskus, doch das Schicksal hatte aus dem Sohn einer reichen Kaufmannsfamilie einen gebrandmarkten Galeerensklaven gemacht, eine Geschichte, über die er nicht gerne sprach. Tiefer als alle Narben auf seinem Rücken war jedoch die Wunde in seinem Herzen. Neben den zwiespältigen Gefühlen für die
ummah,
die Gemeinschaft der Gläubigen, die ihn verstoßen hatte, verband Hamid noch weniger mit den seldschukischen Eroberern seiner Heimatstadt. Unsere Wege hatten sich gekreuzt, als ich vor Jahren Gelegenheit hatte, ihn vor plünderndem Pöbel zu retten. Seitdem waren wir unzertrennlich. Er hatte sich der
militia christi
angeschlossen und war einer ihrer besten Kämpfer geworden, was ihm Achtung und Ansehen unter den christlichen Mitstreitern eingebracht hatte.
Die dunkle Haut und die kräftigen weißen Zähne hatte er seiner nubischen Mutter zu verdanken, wie er behauptete. Die hatte sein Vater auf einem Sklavenmarkt in Ägypten erstanden, und der Alte war ihr so zugetan gewesen, dass er sie zur zweiten Frau erhoben hatte. Vom Vater stammten vermutlich die scharfe Nase, die schwarzen Augenbrauen und der durchdringende Blick, der Hamid manchmal einschüchternd wirken ließ. Er trug die gleiche Ausrüstung wie jeder unserer Reiter. Einzig ein um den Helm geschlungenes Beduinentuch und die Abwesenheit des Kreuzes auf dem Mantel unterschieden ihn von den anderen. Diese Eigenart ließ er sich nicht nehmen.
Hamid redete nicht viel. Dafür war er ein umso besserer Zuhörer und Beobachter. Nichts entging ihm, und wenn er sprach, dann konnte man sicher sein, dass er jedes Wort sorgfältig erwogen hatte. Ich schätzte seine Treue wie seinen Rat, auch wenn er manchmal den Finger tiefer in die Wunde legte, als einem lieb war.
»Ein Beutezug ohne verdammte Beute«, knurrte ich missmutig.
»Es gibt immer ein
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