Der Bastard von Tolosa / Roman
ich das Treiben an Deck. Hinter dem vorderen Mast befand sich eine große offene Luke, in welche die Seeleute ein mit Ladung gefülltes Netz mit Hilfe eines Flaschenzugs in den Schiffsbauch hinabließen. Sicher einige der wertvolleren Waren, die dieser schnelle Segler transportieren sollte. Ich schaute einen Augenblick lang neugierig zu, wie die Männer das Netz in den Laderaum bugsierten, als Hamid mich plötzlich am Ärmel zog.
»Siehst du, was ich sehe?«, fragte er mit harter Stimme.
»Was?«
»Da im Netz. Das Wappen auf dem Schild.«
Da ich die Männer bei ihrer Arbeit beobachtet hatte, war mir der Inhalt des Netzes nicht aufgefallen. Aber nun sah ich, es handelte sich um eine Sammlung von Satteltaschen, Reisebeuteln und Lederpacken, wahrscheinlich mit Kettenhemden und anderem Kampfgerät gefüllt, dazu Helme und drei lange Reiterschilde. Zweifelsohne handelte es sich um das Gepäck unseres noch unbekannten Schiffsgefährten, dem Anschein nach ein Edelmann mit zwei Waffenknechten. Das Wappen auf dem zuoberst liegenden Schild zeigte zwei rote gekreuzte Hämmer auf hellblauem Grund. Nein, das konnte nicht sein! Ich fuhr zu unserem Schiffsmeister herum.
»Ist dies die Habschaft des anderen Mitreisenden?« Meine Stimme musste äußerst scharf geklungen haben, denn
Maistre
Bonifacio fuhr erschrocken zurück.
»Aber ja doch. Und beste Gesellschaft, Herr. Ein junger Edelmann. Vetter des Grafen.«
»Ricard de Peyregoux!«
»Ebender.«
»Verdammt!« Ich starrte ihn zornig an, riss mich jedoch gleich wieder zusammen, denn es war nicht sein Fehler, dass das Schicksal mir diesen Mann als Schiffsgefährten aufzwingen wollte. Ricard musste den Grafen überredet haben, ihn in die Heimat zu entlassen. Vielleicht wollte er die Scham einer Strafversetzung nicht auf sich nehmen. Oder Bertran hatte sich zu guter Letzt entschlossen, den unbequemen Verwandten ein für alle Mal loszuwerden. Ich erinnerte mich an ihren hitzigen Wortwechsel, dessen ich durch Zufall Zeuge geworden war, und vermutete eher das Letztere.
»Es geht nicht,
Maistre
«, sagte ich mit größter Bestimmtheit. »Mit diesem Mann reisen wir nicht.«
»Wie das?«, rief er entrüstet. »Warum nicht, um Himmels willen?«
»Nehmt seine Sachen wieder vom Schiff. Wir fahren ohne ihn.«
Meister Bonifacio rang die Hände, und seine Stimme war vor Aufregung in die Höhe geschnellt. »Ich kann ihn nicht von Bord weisen, Herr. Er ist ein naher Verwandter des Grafen, und ich habe strikte Anweisung …« Er unterbrach seinen Wortschwall und suchte in seinen Taschen, bis er ein zerknittertes Pergament hervorzog. »Hier ist es! Es ist eine Order des Grafen, seinen Vetter zu befördern.« Er hielt mir das Pergament unter die Nase und deutete mit dem Zeigefinger auf das Siegel des Grafen. »Das ist ein Befehl. Ich kann nichts machen. Außerdem ist schon alles bezahlt. Der
secretarius
kam gestern und hat die ganze Reise im Voraus bezahlt.«
Ich warf Hamid einen bedeutungsvollen Blick zu.
Der schüttelte verdrossen den Kopf. »Willst du dir das antun?«
»Auf keinen Fall!«
Völlig unmöglich, mit einem Kerl zu reisen, der mich fast erschlagen hätte und mir und meiner Tochter den Tod wünschte. Und selbst wenn es nur eine leere Drohung gewesen war, so war ich nicht bereit, Wochen auf einem engen Schiff mit diesem Galgenvogel zu verbringen und jeden Tag seine hasserfüllten Blicke zu ertragen. Dazu hatte er noch zwei weitere Raufbolde dabei. Nein, nein. Daran war nicht zu denken.
»Es tut mir leid,
Maistre
Bonifacio. Entweder er oder ich. Da gibt es nichts zu machen.«
»Aber warum? Er wird Euch nicht stören.«
»Es ist eine Fehde zwischen uns«, erklärte ich. »Ich werde auf keinen Fall mit ihm auf dem gleichen Schiff reisen. Oder wollt Ihr, dass ich ihn auf hoher See von Bord werfe? Dann habt Ihr Euren Vertrag mit dem Grafen ebenfalls nicht erfüllt. Also wählt jetzt gleich.«
Bonifacio schaute betrübt auf seine Füße. Dann hob er das zerknitterte Pergament mit dem gräflichen Siegel und meinte verzweifelt: »Es tut mir sehr leid, Herr! Es ist ein Befehl. Der Graf hat Vorrang.«
Mein Gott. Adela würde toben. Sie war so ungeduldig gewesen, und ich hatte sie nur mit Mühe davon abhalten können, uns schon heute auf das Schiff zu begleiten. Bertran dagegen zu bitten, Ricards Reise zu verschieben, war mir unangenehm. Ich wusste, wie peinlich ihm die Angelegenheit mit seinem Vetter war, einem Vorfall, an dem ich ja selbst nicht ganz unschuldig gewesen war.
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