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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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stürzte den Inhalt des Bechers in einem Zug hinunter.
    »Jetzt weiß ich, wie Fürsten leben«, flüsterte er außer Atem.
    »Möchtest du noch einen Löffel Kompott?« Ich nahm mir einen weiteren Schlag davon. Eingekochte Birnen mit Rosinen und Honig gesüßt.
    »Geht nichts mehr«, stöhnte Aimar mit verdrehten Augen.
    Ich schob ihm das kleine Wasserbecken hin, das ich gefüllt hatte. »Reib dir die Hände mit Zitrone sauber, bevor du sie hineintauchst. Lern, dich höfisch zu benehmen, Junge.«
    »Wie an Graf Bertrans Tafelrunde?«, fragte er mit einem verträumten Blick. »Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen.«
    »Du wirst wohl kaum Gelegenheit haben, in feiner Gesellschaft zu speisen. Aber falls doch, merk dir eines. In einer solchen Runde geht es gesittet zu, besonders wenn noble Damen am Tisch sitzen. Da stochert man nicht mit dem Messer in den Zähnen herum oder schneuzt sich gar in den Ärmel, hörst du?«
    Er nickte ernst. »Es tut mir leid um Eure Frau, Herr«, sagte er plötzlich. Als ich von Nouras Tod berichtet hatte, waren ihm Tränen gekommen.
    »Ja«, sagte ich und seufzte. »Es ist lange her, aber ab und zu denke ich noch an sie. In Antiochia hatte sie ihre Familie verloren, in Tripolis ihr Leben.«
    »Doch mit Euch war sie glücklich gewesen.«
    »Vielleicht«, brummte ich. »Ich war nicht immer der beste Gemahl in jenen Tagen.« Vor meinen Augen sah ich ihr grasumsäumtes Grab mit dem schlichten Stein neben der Maronitenkirche in
Paire
Georgios’ Dörfchen. Ob jemand es noch pflegte?
    »Ich werde ihr Grab finden«, versprach er, als habe er meine Gedanken erraten. Wir saßen eine Weile stumm da, und dann sagte er mit beseelter Stimme: »Jetzt, nachdem ich Euch zugehört habe, will ich erst recht eine Wallfahrt unternehmen. Ich will alle Orte sehen, an denen Ihr gewesen seid. Und am Jordan will ich mich taufen lassen.«
    »Ola!«, rief ich. »Nicht so schnell. Ich brauche dich noch. Was nützt du mir, wenn dir ein Türke auf den Kopf haut, eh? Kannst du dann noch die Familienchronik bewahren?«
    »Vielleicht kehrt Euer Sohn bald heim, und dann kann ich auf die Reise gehen.«
    »Na schön. Aber nicht vorher.«
    Jetzt wurde er ernst. »Schrecklich zu denken, wie sehr die Menschen gelitten haben. Christen wie Heiden.«
    »Nenn sie nicht Heiden. Sie glauben an Gott wie wir.«
    Seine blauen Augen starrten mich ungläubig an. »Aber sie glauben an Götzen und schmoren auf ewig in der Hölle, Herr!«
    »Papperlapapp!«, knurrte ich unwirsch. »Woher willst du das wissen? Ist noch keiner aus der Hölle entsprungen, um davon zu berichten.«
    Er runzelte die Stirn. »Jeder sagt es!«
    »Gott ist Gott«, sagte ich ihm. »Der eine betet so, der andere anders.«
    »Wenn alle an Gott glauben, warum muss man sie dann bekehren?«
    »Gute Frage,
mon gartz.
« Darüber dachten wir nach. Aber natürlich fand sich keine Antwort. Es ist müßig, sich solche Fragen zu stellen. Lange sagte er nichts, sondern saß zurückgelehnt am Tisch und schien zu träumen. Meine Geschichten mussten ihm noch im Kopf herumgehen.
    »Und dieser Ricard. Seid Ihr ihm jemals wieder begegnet, Herr?«
    Ich grinste bitter. »Du wirst davon hören. Warte es ab.«
    »Es war großartig, wie Ihr ihn in jenem Badehaus festgehalten habt …«
    »Das hat er mir sehr übelgenommen.«
    Plötzlich sah er mich verschämt an. »Aber,
Senher.
Ich dachte immer, Badehäuser seien … na, eben zum Baden da.«
    Ich musste ihn lange verdutzt angestarrt haben, dann zuckten mir die Mundwinkel, und schließlich musste ich laut loslachen. »Das sind sie auch«, kicherte ich und konnte mich nicht einkriegen. »Das sind sie auch, mein Junge. Ganz sicher.« Mir liefen die Tränen runter. Nun lachte auch Aimar, und wir hielten uns beide die Bäuche. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis wir uns beruhigten.
    »Was ist denn aus jener Berta geworden? Und der Sohn. Ist es Raol?«, fragte er schließlich.
    Ich legte den Finger auf die Lippen. »Nicht jetzt. Das ist eine lange Geschichte, und mir ist inzwischen die Stimme rauh geworden.« Ich gab ihm ein Zeichen, sich zu erheben.
    »Und der Brief Eures Onkels?«, fragte er weiter hartnäckig.
    Ich schob ihn langsam in Richtung Stiege. »Geh, geh! Es ist Zeit zum Schlafen.«
    Kaum war Aimar hinabgestiegen, da trat mein Jäger und Fallensteller, Gustau
lo chaçador,
ins Turmgemach.
    Jetzt im Herbst war es wieder Zeit, auf Hirsch- und Eberjagd zu gehen. Gustau ist ein langer, drahtiger Kerl, maulfaul und ein wenig kauzig.

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