Der Bastard von Tolosa / Roman
Die beiden herausragendsten Bestandteile seines Gesichts sind ein dicker, grauer, zotteliger Schnauzbart und eine prachtvolle gallische Nase. Er redet nur, wenn es nicht anders geht, und schaut meist trübselig drein, obwohl der Eindruck täuscht. Er ist ein Einzelgänger. Wald und Tiere sind sein stilles Reich, in Gesellschaft der Menschen fühlt er sich unwohl. Gustau und ich haben gemeinsam schon manches Abenteuer bestanden, besonders in jenen Tagen, als wir ums Überleben des Dorfes kämpfen mussten. Oft, wenn ich ihn sehe, kommt mir das traurige Los seiner Rosa in den Sinn, und dann möchte ich besonders sanft mit ihm umgehen. Wir verstehen uns gut, auch ohne viele Worte.
Er stand verlegen da, die Mütze in der Hand, und wartete.
»Wann ist die Sauhatz dran?«, fragte ich.
»In einer Woche oder zwei.«
Er wollte also noch Fährten überwachen, bis er sich der Schlupfwinkel der Tiere sicher war. In Fährtenkunde findet sich niemand, der ihm das Wasser reichen kann. Er erkennt noch Spuren, wo selbst die Hunde aufgeben.
»Gut. Nach
Toussant
also. Bereite alles vor und such die Männer aus.«
Er nickte stumm, und da ich nichts weiter für ihn hatte, entfernte er sich wortlos mit einem halb angedeuteten Gruß.
Lange noch blieb ich im Turmgemach, um den Tag zu überdenken. Mein kleiner Mönch hatte gelauscht, bis ihm die Ohren glühten. War nun sein Bild von den frommen Christenkriegern befleckt, hatte ihn der Blutgeruch der Schlachten erschreckt und der Gestank der Leichen angewidert? Und war ich in seinen Augen immer noch der brave Pilger und Krieger Gottes, oder, da er nun die Wahrheit kannte, nur noch ein Schlächter, Plünderer und Ehebrecher, ein Abenteurer und kaltherziger Kriegsherr?
Aber was scherte es mich,
putan,
was er dachte. Ein kleiner Mönch mit ungewaschenen Füßen? Die wichtigere Frage war, würde ich auch Raol, wenn er vor mir säße, diese Dinge so freimütig erzählen können? Immer sind es die Söhne, die über die Väter richten. Nein, bei Raol würde mir die Beichte sehr viel schwerer fallen.
Sosehr mich Nouras Tod in tiefe Verzweiflung gestürzt hatte, so war von ihr nichts weiter als ein Schatten der Erinnerung geblieben. Wie vergänglich doch alles ist! Nicht, dass ich sie jemals vergessen hätte, aber das tägliche Heute fordert zu viel, als dass man dem Gestern noch viel Beachtung schenken könnte. Außer man wird langsam alt, so wie ich, und beginnt, über sein Leben nachzudenken.
Ich erhob mich und trat ans Turmfenster. Vollmond tauchte die Landschaft in sanftes, silbriges Licht, die Berge wie ein Rahmen aus tiefem Schatten. Ein Käuzchen rief aus dem Wald, und unten im Dorf antwortete eine Kuh. Und jetzt hörte ich die Katzen über die Dächer und Zinnen streunen und ihre schamlose Liebesglut in die Nacht schreien. Vollmond. Keine Nacht zum Schlafen.
Da vernahm ich ein Geräusch unten im Burghof. Es klang wie ein Steinchen, das an einen Fensterladen geworfen wird. Ich reckte den Hals, um aus dem Turm zu spähen, und lauschte angestrengt. Was ging da vor sich? Und da, noch einmal. Dann ein Flüstern: »Aimar«, gefolgt von einem unterdrückten Kichern, und wieder eindringlicher: »Aimar!«
»Wer ist da?«, klang des Mönches dünne Jünglingsstimme zurück.
»Komm und finde es heraus!« Das Lachen junger Mädchen und leichte Schritte, die sich entfernten. Mägde aus dem Dorf, die ihren Spott mit ihm trieben.
Ich ertappte mich dabei, dass meine Gedanken ungewollt zu den Rundungen der Köchin wanderten.
Mon Dieu,
schon das zweite Mal in diesen Tagen. Was war nur los mit mir? Es altert der Mensch, und dennoch will die Lust nicht weichen. Es gibt Tage, da peinigt sie mich mächtig, und an diesem Abend hatte ich nicht übel Lust, mich heimlich in die Kammer der
cosiniera
zu schleichen, ihr meine Hand auf den prallen Hintern zu legen, sie ins duftende Heu zu ziehen und ihr zu zeigen, wer Herr auf dieser Burg ist, und zwar so lange, bis sie mit den Katzen auf dem Dach um die Wette stöhnte. Nicht ohne Bedauern entschied ich mich dagegen, denn noch lächerlicher als ein geiler Bock ist ein alter geiler Bock.
Doch zu meiner Freude fand sich noch etwas Wein im Krug. Den schlürfte ich genüsslich. Gutes Essen und guter Wein, das kann einem niemand nehmen.
***
»Die ersten Tage auf See waren ein Ritt durch die Hölle.«
Aimar hockte zu meinen Füßen auf einem niedrigen Schemel, während ich im Lehnstuhl saß und meine Geschichte wieder aufgenommen hatte.
Heute war es kühl, und
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