Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
der Jäger, angetan.
Maistre
Bonifacio zeigte ihr die Schultern und den Gürtel des Jägers, den Dolch und den Bogen. Er sähe aus wie Hamid und sein Bogen, fand sie und zeigte ihm sein Abbild im Himmel.
    »Aber wie gelingt es Seeleuten, ihren Weg übers offene Meer zu finden?«, fragte Aimar.
    »Nachts segeln sie nach den Sternen. Tagsüber richten sie sich nach Höhe und Stand der Sonne, nach der Windrichtung, manchmal nach der Tiefe oder der Farbe des Wassers. Die Beobachtung von Seevögeln lässt auf Landnähe schließen. Aber die Seefahrt ist in jedem Fall eine ungenaue Angelegenheit, und am besten entfernt man sich nicht zu weit von der Küste.«
    Bonifacio hatte seine Beobachtungen oft mit Eintragungen in einem speckigen und zerfledderten Büchlein verglichen, das er bei sich trug und niemals aus der Hand gab. Neben vielen Anmerkungen enthielt es Zeichnungen von Bergspitzen und Landzungen oder Hinweise auf guten Ankergrund. Er habe es von seinem Vater geerbt und weitergeführt, erklärte er, und wie durch Zauberei kamen wir meist recht genau dort an, wo er hinwollte.
    Am dritten Tag der Überfahrt nach Sizilien wehte ein kräftiger, warmer Wind aus Süden, und zu unserem Erstaunen fiel roter Staub vom Himmel und sammelte sich in den Kleidern und in allen Ecken des Schiffes. Er knirschte beim Essen zwischen den Zähnen, rieb unter den Augenlidern, und wenn man sich schneuzte, war das Tuch voller braunrotem, verklumptem Schleim, wie angetrocknetes Blut.
    Es sei nichts zu befürchten, hatte Bonifacio uns beruhigt, nur Staub aus der Wüste Afrikas. Jenes sagenumwobene Land befände sich nicht weiter als fünf Tagesreisen entfernt. Ich hielt Ausschau nach Süden, aber nichts als der leere Horizont war zu sehen. Afrika. Die geheimnisvolle Heimat der schönen Nubierin aus Barbaras Badehaus. Schwarz wie die Nacht war sie gewesen. Lange, geschmeidige Glieder und geschickte Lippen, warme, glatte Haut und dieser betörende Geruch ihrer Brüste. Als ob der Duft von Orangen und Granaten aus einer fernen Oase an ihr haftete.
    Scylla und Charybdis verschonten uns, als wir bei gutem Wind durch die Meerenge segelten. Den Ätna und Messina ließen wir hinter uns und machten zwei Tage später im Hafen von Palermo fest, dieser größten Stadt Siziliens, um dort einige Tage zu verweilen. Mit Erleichterung entflohen wir der Enge des Schiffs und gönnten unseren Tieren wie uns selbst den ersehnten Landgang.
    Sizilien ist ein Schmelztiegel vieler Einwanderer, wie uns der Herbergswirt erklärte. Auf dem Land griechisch geprägt, in den Städten römisch, dazu Jahrhunderte maurischer Einwanderung, meist aus Tunis, und nun die Herrschaft der Normannen. Palermo ist eine bunte und geschäftige Stadt, deutlich arabisch in ihren Moscheen und Basaren, und sie erinnerte uns an Tripolis. Seit ihrer Eroberung durch die Normannen vor etwa vierzig Jahren war aus einem maurischen Seeräuberstützpunkt ein großer Handelsplatz geworden. Schmuggler aus Algier und Tunis treiben Handel mit Kaufleuten aus den fränkischen und italienischen Küstenstädten, und die Verbindungen reichen bis Konstantinopel und der levantinischen Küste.
    Mitten in diesem lebhaften Treiben muten die hochgewachsenen, normannischen Wachen mit ihren blonden Haarschöpfen und roten Gesichtern doch recht seltsam an, als ob sie sich hierher verirrt hätten. Ihre Fürsten erlauben allen im Volk die freie Ausübung ihrer jeweiligen Religion, und so gibt es latinische und griechisch-orthodoxe Christengemeinden neben vielen islamischen Gotteshäusern. Ich dachte an Bertran, der es in Tripolis ebenso handhaben wollte. Hier schien diese Politik beste Früchte zu tragen, wie wir feststellen konnten, denn Menschen unterschiedlichster Abstammung und Glaubensrichtung lebten nebeneinander in größter Friedfertigkeit. Das ließ für die Zukunft hoffen.
    Wenn man es recht bedachte, war es, als habe man die Welt überall auf den Kopf gestellt. Normannen herrschten in Sizilien, Türken im einst byzantinischen Anatolien, und nun wehten fränkische Banner, wo zuvor der Halbmond regiert hatte. All dies beflügelt natürlich junge Heißsporne, es den Eroberern nachzutun. Besonders in Sizilien unter den Normannen spürte man diese prahlerische Überheblichkeit, als müsse man nur verwegen genug sein, und die Welt falle einem in den Schoß. Bis sie die Wirklichkeit kennenlernen und sich blutige Köpfe holen, die Narren. Nun, für mich war dieser Abschnitt meines Lebens beendet, denn ich sah mit

Weitere Kostenlose Bücher