Der Bastard von Tolosa / Roman
Anschluss daran befindet sich der Bereich, der üblicherweise den Frauen vorbehalten ist und von Männern, mit Ausnahme des
dominus,
nicht betreten werden darf. Und selbst der verirrt sich nur selten dorthin.
Das Reich der Frauen besteht aus einem geräumigen Saal, wo sie tagsüber ihren Beschäftigungen nachgehen, Weben, Sticken, Schneidern oder was sie sonst so treiben. Dazu verschiedene kleine Schlafkammern für weibliche Verwandte des Hauses und für die Mägde und Dienerinnen der
domina.
Joana bewohnte eine etwas größere Kammer, und Adela, so war es entschieden, sollte fortan ihr Bett teilen. Hier herrscht ein reges Kommen und Gehen, viel Gerede und Getuschel, und manchmal dringt ein Lied aus den offenen Fenstern in den Burghof oder helles Frauengelächter. Man wundert sich, worüber sie wohl lachen mögen. Unter den Männern machen ständig Gerüchte und Andeutungen um diesen Teil der Burg die Runde, natürlich gern genährt vom Weibervolk selbst, das aus allem Weiblichen eine
res occulta
zu machen trachtet, ganz als geschähen dort geheime Dinge, über die man nur flüstern dürfe.
Ebenfalls von der
aula
geht es über eine enge Treppe in die große Küche hinab, an die sich eine Reihe geräumiger Vorratskammern anschließt. Über einen Gang und Stiege kommt man von dort in die Unterkünfte der Küchenmägde. Nur ein paar Schritte entfernt, auf der anderen Seite des kleinen Burghofs, befinden sich, über einer Werkstatt und dem Lager für Katapulte und anderem Kriegsgerät, Tagesraum und Schlafbereich der Wachleute. Im Anschluss die Pferdeställe mit Heuböden unter dem Dach und den Schlafkammern der Knechte. Auf der höchsten Stelle des Felsen steht schließlich der aus mächtigen Quadern gefügte, viereckige Turm, dessen Eingang nur über eine abnehmbare Holztreppe zu erreichen ist.
Es liegt alles nahe beieinander, denn die Gebäude, die sich hinter der Ringmauer auf dem engen Felsen drängen, sind von bescheidenen Ausmaßen und die meisten Kammern winzig. Auf den Holzböden ist jeder Schritt zu hören, die Bettkästen mit ihren Strohfüllungen knarren und ächzen bei der kleinsten Bewegung, Stimmen hallen über den engen Burghof, und nachts, wenn man nicht einschlafen kann, hört man die Pferde in den Ställen furzen, oder es machen einen die Katzen verrückt, die auf den Dächern ihr Unwesen treiben.
Man kann also kaum etwas tun oder sagen, ohne dass die meisten Burgbewohner in irgendeiner Form daran teilnehmen. Man weiß, wer schnarcht oder im Schlaf redet, wer unter Blähungen leidet oder von Alpträumen geplagt wird. Im Verborgenen blüht die Liebe und das an Stellen, wo man sie kaum vermuten würde. Jeder versteckte Blick wird beobachtet und gedeutet. Wer mit wem, das ist der Inhalt von endlosem Getuschel, Anspielungen und Frotzeleien ebenso wie von eifersüchtigen Streitigkeiten und harten Worten. Jetzt am Morgen nach Bertas Einladung hätte es mich kaum gewundert, wenn nicht bereits das ganze Dorf über unseren Streit in allen Einzelheiten Bescheid wusste. Die Fenster hatten weit offen gestanden, und wir waren nicht gerade leise gewesen.
Als ich zum Turm aufstieg, um mich dort einzurichten, spürte ich, dass alle, denen ich begegnete, mich verstohlen beobachteten, und wenn ich ihre Blicke erwiderte, sahen sie betreten weg. Diese Runde ist an Berta gegangen, dachte ich schlechtgelaunt, als ich im Turm die Satteltaschen mit meinen persönlichen Sachen in eine Ecke des Gemachs warf, das ganz oben unterhalb der Zinne liegt.
Ich blickte mich um. Der Raum war leer, roch muffig und war ringsum nur mäßig durch vier schmale Fenster erhellt, durch die so früh am Morgen ein kühler Wind blies. War es meine schlechte Laune, oder lag es daran, dass heute ein trüber und verregneter Tag war? Alexis stolperte hinter mir die Stiege hoch, schwerbeladen mit weiteren Lederpacken. An den Fenstern sollten wir die üblichen Verschalungen anbringen, mit dünnstem Pergament bespannt, um sie verschließen zu können, ohne dass es an Tageslicht fehlte. Der Boden musste mit frischem Stroh ausgelegt werden, und es fehlte an Möbeln, Leuchtern, Wandteppichen. Ich seufzte. Es war einiges zu tun, um den Raum so herzurichten, dass man sich hier wohl fühlen konnte.
Dieser Umstand und das schlechte Wetter waren die Gründe, warum ich beschloss, meinen Besuch des Klosters aufzuschieben. Außerdem war heute Sonntag, und am Tag des Herrn regelte man keine Geldgeschäfte.
Ich traf Peire Alfons, den Zimmermann, in seiner
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