Der Bastard von Tolosa / Roman
Jori«, sagte ich. »Und dein Bruder?«
»Matiu ist mit einer Karrenladung unterwegs.«
»Leben die Eltern noch?«
»Der Vater ist vor zwei Jahren gestorben. Aber unsere Mutter lebt noch.« Mit diesen Worten wandte er sich zum Haus. Erst da bemerkte ich eine Frau mit einem Säugling auf der Hüfte, die im Türrahmen stand, und hinter ihr der ängstliche Blick eines alten Weibes, Amelhas Mutter, ich erkannte sie. Jori rief ihnen zu, einen Trunk für die Herren zu bringen, und wies auf Tisch und Bänke, die ein paar Stufen tiefer am Flussufer aufgestellt waren. Dort setzten wir uns. Es war angenehm kühl unter den Weiden, und ein kleiner Windhauch erfrischte unsere erhitzten Gesichter.
»Mögt Ihr Apfelmost,
Senher?
Wir hatten noch eine Kiste Äpfel vom letzten Jahr übrig. Oder Wein?«
»Lieber deinen Most, Müller.«
Er rief etwas über seine Schulter, und bald standen Krug und Becher vor uns auf dem Tisch. Ich grüßte ernst die Alte, die uns bediente, und sie lächelte verlegen. Hatte sie mir verziehen? Eigentlich war sie noch nicht so alt, aber ihre Haare waren schlohweiß geworden, und sie ging gebeugt, als habe sie an einer schweren Last zu tragen.
»Mutter geht es nicht gut«, sagte Jori, nachdem sie gegangen war. »Seit Vaters Tod ist sie nicht mehr dieselbe.«
»Und die Mühle?«, fragte ich.
»Wirft gutes Geld ab, Herr! Sie ist die einzige weit und breit. Da sollte man eigentlich zufrieden sein.«
»Eigentlich?«
Seine Miene verdüsterte sich.
»Was ist los?«
»Ich will nicht klagen.« Er wand sich ein wenig. Dann deutete er mit einer Kopfbewegung nach Cubaria. »Aber die Mönche machen uns das Leben schwer.«
Hinter Joris Rücken war ein Junge aus dem Haus getreten, etwa sechzehn, schätzte ich. Ich wollte Jori weiter befragen, doch die seltsamen Bewegungen dieses Jungen hielten meinen Blick gefangen.
Er humpelte schrecklich, dabei knickte er regelmäßig in der Hüfte ein, als habe er keine rechte Gewalt über seine Glieder. Auch die Arme schlenkerten ungelenk um seinen mageren Oberkörper, der Kopf stand schief und wackelte bei jedem Schritt. So machte er seinen Weg zum Flussufer und setzte sich mühsam auf den Boden und ließ die nackten Füße ins Wasser baumeln. Dann blickte er scheu zu uns herüber, und ich sah, dass er schielte.
Jori war meinen Blicken gefolgt, sagte aber nichts.
Ich wandte mich ihm wieder zu und fragte: »Was ist denn mit den Mönchen?«
Er seufzte. »Sie verwalten die Nutzung der Mühle für den Bischof. Ein Viertel der Einnahmen geht an uns, dafür, dass wir sie betreiben. Aber sie gönnen uns kaum einen Heller. Immer muss ich mich um unseren Anteil streiten. Und seit Jahren lassen sie uns nichts, um die Mühle instand zu halten. Auch das muss ich von dem wenigen bezahlen, das wir erwirtschaften.«
»Ich habe schon gehört, dass Prior Bernard ein wenig scharf hinter dem Geld her ist.«
»Ein wenig?«, bemerkte er höhnisch. Dann sprach er weiter. »Dazu kommt, dass die Dinge auf Rocafort schlechtgehen. Von dort kriegen wir nur noch wenig Mahlgut.«
»All das wird sich ändern«, sagte ich mit Bestimmtheit. Auf seinen fragenden Blick hin klärte ich ihn auf. »Die Nutzung der Mühle hat mein Onkel mir überschrieben. Du behältst deinen normalen Anteil, ein weiteres Viertel zahlen wir als Pacht an den Erzbischof, und der Rest geht an mich. Damit ist Prior Bernard raus aus der Sache. Und wenn du Auslagen hast, dann komm zu mir, und wir werden das besprechen.«
Er schaute mich verdutzt an, aber als die Neuigkeit einsank, breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Gott hat unsere Bitten erhört. Ich muss es gleich meiner Marta sagen, Herr«, rief er erfreut, sprang auf und rief laut nach seinem Weib, eine kräftige Frau mit freundlichem Gesicht und roten Apfelbäckchen. Ich sah sie am Haus freudig erregt tuscheln und flüstern.
Mein Blick war wieder zu dem Jungen am Uferrand gewandert. Der planschte mit den Füßen im Wasser. Sein Kopf mit dem dunklen Haarschopf wippte dazu. Irgendetwas an ihm kam mir seltsam vertraut vor.
Jori kam zurückgelaufen und brachte eine Karaffe Wein.
»Darauf müssen wir trinken,
Senher
Jaufré!« Er schenkte uns von seinem rauhen Landwein ein und wünschte Gesundheit und langes Leben.
Wir tranken, auch Hamid nahm einen Schluck, und Jori setzte sich wieder zu uns. Da merkte er, dass ich immer noch verstohlen zu dem Jungen hinüberstarrte.
»Er ist dumm im Kopf. Seit seiner Geburt. Beachtet ihn nicht!«
Joris Frau war
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