Der Bastard von Tolosa / Roman
ich«, meinte sie. »Da hast du mir einen netten Bruder geschenkt.« Sie lachte und gab mir einen Kuss auf die Wange. »Aber Raol ist eingebildet. Der redet nicht mit mir.«
»Hast du ihn fortreiten sehen?«
»Die sind an uns vorbei, ohne ein Wort zu sagen.«
»Gib ihm Zeit,
mon cor.
Er ist noch etwas verwirrt.«
»Weil wir jetzt hier sind?«
»Er wird sich daran gewöhnen.«
»Martin sagt, er will bald das Kriegerhandwerk erlernen.«
»Er ist noch etwas jung«, überlegte ich. »Aber warum nicht? Es ist gut, sich früh zu üben.«
»Er will nur dich und Hamid als Lehrer. Ich glaube, den Waffenmeister mag er nicht.«
»Was hat er über ihn gesagt?«
»Er sei hochnäsig, und er triezt gern die Wachmänner. Aber Raol behandelt er wie einen Prinzen.«
»Vielleicht ist Martin eifersüchtig.«
»Vielleicht«, meinte sie. »Aber ich glaube es nicht.«
Auf Martin wollte sie wohl nichts kommen lassen. Adela ließ mich bald allein, und ich setzte mich an eines der Fenster und starrte nachdenklich ins Tal. Nach Amelhas Tod hatte ich hier endlose Stunden verbracht. Meistens, um Bertas vorwurfsvollen Blicken zu entgehen. Ein seltsames Gefühl, nun wieder hier oben zu sitzen. Als habe sich das Rad des Schicksals einmal ganz um seine Achse gedreht.
Zum Abendmahl waren Raol und Peire immer noch nicht zurück. Berta kniff die Lippen zusammen, als sie erfuhr, dass Raol den Schimmel genommen hatte. Das wird nicht angenehm für den Jungen, wenn er zurückkehrt, dachte ich. Diesmal war die Runde am Tisch still und eher bedrückt. Der Unfriede zwischen uns hing dick in der Luft.
»Raol verbringt zu viel Zeit mit diesem Peire«, bemerkte Joana, nachdem sich Berta zurückgezogen hatte. »Er ist natürlich sein Waffenlehrer. Aber in letzter Zeit scheinen sie immer irgendwo zusammenzustecken. Das heißt, wenn er nicht bei den Borcelencs ist, wie während der letzten Wochen. Ich bin froh, dass damit Schluss ist.«
»Wo, zum Teufel, wollten sie bei diesem Wetter nur hin«, knurrte ich.
»Es ist nicht das erste Mal. Waidmannskunst soll der Junge lernen und allein im Wald zurechtkommen. Soll ihn abhärten.«
»Gut«, brummte ich. »Nichts dagegen einzuwenden.«
»Es gibt Wölfe in den Bergen«, sagte sie besorgt. »Und vor vier Wochen hat ein Bär bei einem Bauern Schafe gerissen.«
Ich lachte. »In seinem Alter habe ich meinen ersten Wolf mit dem Speer erledigt.«
»Sie hätten etwas sagen sollen«, murrte sie. »Einfach ohne ein Wort wegzureiten.«
»Berta hätte es verboten.«
Als ihr Name fiel, sagte Hamid: »Ich hoffe, Jaufré, es wird nicht jeden Abend Streit geben.«
»Was hast du zu ihr gesagt«, hakte Joana ein. »Man konnte sie übers ganze Dorf hören, so wütend war sie.«
»Nichts!« Ich zuckte unschuldig mit den Achseln.
»Pah!«, rief sie angewidert. »Männer!«
»Hat sie es dir nicht brühwarm erzählt?«
»Dass du sie in ein Kloster verbannen willst.«
»So habe ich es nicht gesagt«, antwortete ich entrüstet.
»Wie dem auch sei, meine Unterstützung hast du nicht! Warum bemühst du dich nicht ein wenig um sie? Sie ist eine gute Frau.«
»O ja. Das hat sie mir deutlich gezeigt!«, antwortete ich gehässig.
Später vertraten Hamid und ich uns die Beine auf dem Wehrgang und blickten aufs dunkle Dorf hinab. Vereinzelt brannte noch ein Licht, aber die meisten schliefen bereits, und die Nacht lag drückend schwarz über der Burg.
»Mit Frauen scheine ich wenig Glück zu haben«, sagte ich und versuchte, witzig zu klingen. »Die erste hat mein Leben auf den Kopf gestellt. Die zweite habe ich erst vor kurzem begraben. Und die hier«, ich wies mit dem Daumen über die Schulter, »kann es kaum abwarten, bis sie mich wieder loswird.«
Hamid lachte tonlos neben mir. »Wahrscheinlich hast du es verdient«, sagte er ungerührt. »Ich sehe es so wie Joana. Man könnte es schlechter treffen als mit einer Berta. Also spar dir dein Selbstmitleid.«
»Seid ihr jetzt alle gegen mich?«, fragte ich entrüstet. »Was bist du eigentlich für ein Freund?«
»Keiner, der dir den Arsch küsst«, lachte er.
»Das Weib hasst mich!«
»Ach was.«
»Die
Keusche Barbara,
das war eine Frau!«
»Du machst wohl Witze!«
»Ganz und gar nicht! Freundlich, verträglich, ein Vulkan im Bett. Und dazu ganz ohne Ansprüche, stell dir vor!«
»Die Ansprüche kommen immer später.«
»Sie steht auf eigenen Füßen, wie du weißt.«
»Willst du etwa ein Badehaus gründen?«, kicherte Hamid. »Vielleicht kommt sie ja wirklich
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