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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Mann von Ehre«, beschwichtigte er. »Reden wir von anderen Dingen. Jetzt, da Ihr mein Gast seid, müsst Ihr von Jerusalem berichten. Ihr wart doch in Jerusalem, oder? Finden sich dort noch
reliquiae,
lieber Freund, oder haben die Ungläubigen alles geplündert und zerstört?«
    »Reliquien?«, fragte ich, ein wenig außer Fassung über diese unerwartete Frage, und dachte bei mir, dass es weniger die Ungläubigen gewesen waren, die geplündert hatten.
    »Na, Ihr wisst schon«, sagte er ungeduldig. »Schweißtuch des Herrn, Dornenkrone, ein Nagel aus dem Kreuz.«
    Ich lachte. »Solche Dinge soll es beim Basileus in Konstantinopel geben, habe ich gehört. Auf dem Basar in Jerusalem findet man sie sicher nicht.«
    »Natürlich nicht!« Er fand meine Bemerkung wenig witzig. »Das waren doch nur Beispiele. Es gibt ja auch kleinere Stücke. Vielleicht der Zeh eines Apostels oder sein Gebetsschal, Splitter des Kreuzes. Immer wieder tauchen solche Gegenstände auf. Besonders seit der Befreiung des Heiligen Landes. Habt Ihr denn nichts davon mitgebracht? Man sollte meinen …«
    Natürlich wusste ich, wie jedermann auch, wie wichtig Reliquien den meisten Gläubigen sind. Wunderheilung spricht man ihnen zu, Abwehr gegen bösen Blick und üble Nachrede, Fruchtbarkeit bei den Weibern, ein langes Leben und unzählige Dinge mehr.
    »Cubaria ist leider unbedeutend«, sagte er. »Hätten wir nur ein klein wenig vom Glanz solcher Heiligkeit, dann kämen viele fromme Pilger.« Um Pilger und ihr Geld ging es ihm also.
    »Ich habe mal die Heilige Lanze von Antiochia in der Hand gehabt«, sagte ich, halb zum Spaß.
    »
Verges Maria!
Habt Ihr wirklich?« Er machte große Augen. Fast musste ich über seinen Gesichtsausdruck lachen. »Wie war sie, die Lanze. Erzählt es mir!«
    »Rostig!«
    »Rostig?« Er starrte mich mit gerunzelter Stirn an.
    »Ja. Der Rost blätterte ab. Kaum noch als Speerspitze zu erkennen.«
    Das schien ihn zu betrüben. Hätte ich behauptet, sie sei von strahlendem Gold gewesen und mit Rubinen besetzt, er hätte es sofort geglaubt. Prior Bernards Enttäuschung dauerte jedoch nicht lange.
    »Aber mit ihr habt Ihr die Türken hinweggefegt!«
    »Wir haben gesiegt. Das ist wahr.« Und ein verflucht teurer Sieg war es gewesen.
    »Na also! Lob sei dem Herrn.«
    Den bitteren Unterton in meiner Stimme hatte er gar nicht wahrgenommen, denn nun sprang er auf und fischte einen großen Schlüsselbund aus den Tiefen seines Habits.
    »Ich will Euch etwas zeigen«, lächelte er verschwörerisch und wandte sich einem wuchtigen Schrank zu, der die halbe Rückwand der Kammer einnahm. Er schloss ihn auf und winkte mich heran. Langsam wurde mir dieses Gerede zu viel. Aber aufgrund unserer Geldschulden würde ein gutes Einvernehmen mit dem Prior nicht schaden, und so fasste ich mich in Geduld.
    Mit einem anderen Schlüssel schloss er eine mit Elfenbeineinlagen verzierte, hölzerne Schatulle auf. Ihr entnahm er einen Gegenstand ganz in Gold, der fast wie ein Kieferknochen nebst Zahnreihe aussah, wenn auch nur angedeutet und klobig in der Darstellung. Plötzlich öffnete er diesen goldenen Kiefer, und ich sah, es war nur ein Behälter, und darin befand sich wirklich ein Teil eines Unterkiefers, geschwärzt und angefault, und es steckten noch fünf wackelige Zähne darin, braun und mit schwarzen Hälsen.
    »
Deable!
Was ist das?«, fragte ich.
    Triumphierend blitzten mich seine Augen an. »Der Heilige Antonius!«, flüsterte er andächtig. »Vor etwa hundert Jahren sind seine Gebeine ins Land gekommen. Und wir hier in Cubaria haben dieses Stück.«
    »Seid Ihr Euch der Echtheit sicher?«
    »Völlig sicher.«
    »Man sagt, es wird viel gefälscht«, warnte ich.
    »Ich habe eine Urkunde. Von einem Bischof Dimitrios von Alexandrien, ein Zeitgenosse, der selbst den großen Heiligen noch gekannt hat«, raunte er.
    »Guter Gott!« Ich pfiff anerkennend durch die Zähne, um meine Zweifel zu verbergen. Im Heiligen Land war mir von abgebrühten Fälschern einiges an Schamlosigkeit untergekommen. Einen Burschen hatten wir gefasst, der vertrauensseligen Pilgern für viel Geld silbergefasste Schweinerippen als
reliquiae
des Apostels Andreas verkauft hatte. Aber ich wollte den Prior nicht enttäuschen.
    »Ihr seid ein gesegneter Mann, Prior!«, beglückwünschte ich ihn stattdessen. »Bald wird Cubaria Berühmtheit erlangen.«
    Auf einmal starrte er mich an, als sei ihm gerade ein unerwarteter Gedanke gekommen, und verschloss die Reliquie wieder in der

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