Der Bastard von Tolosa / Roman
dämmern.
»An wen habt Ihr verkauft?«, fragte ich scharf.
»An Robert Borcelencs. Wen sonst?«
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Siedend heiß fielen mir die Worte meines Freundes Alfons ein, wie viele heimkehrende Ritter schon um ihr Erbe betrogen worden waren. Von den Pfaffen übertölpelt und ausgeplündert. Verdammt! Nun sollte dies auch mir geschehen?
»Er wird sie einfordern, Eure Burg«, kreischte er schrill. »Ich weiß nicht, was an dem Steinhaufen so wichtig sein soll, aber er ist hinter dieser Burg her und das gieriger als der Leibhaftige hinter Eurer erbärmlichen Seele!«
Mir rauschte das Blut im Kopf, meine Halsadern schwollen an. Als ich das Schwert aus der Scheide riss, wich der Prior entsetzt vor mir zurück und hob beschwörend die Hände.
»Montalban! Ihr werdet Euch doch nicht an einem Kirchenmann versündigen!«
Ich hob den Arm und ließ das Schwert mit aller Macht auf den Tisch niederkrachen. Der ging zu Bruch, und die fein geschliffenen Glaskelche samt Karaffe zerschellten klirrend am Boden. Der rote Wein spritzte über unsere Füße, so dass es aussah, als hätte ich tatsächlich jemanden erschlagen.
»Ich sage dir, Mönch! Wenn dieser Borcelencs uns deinetwegen Ungemach bereitet, dann gnade dir Gott! Es ist mir gleich, wo du hinläufst, aber ich werde dich finden.«
Damit eilte ich aus dem Gemach und warf die Tür so heftig hinter mir ins Schloss, dass es laut durch das alte Gemäuer dröhnte. Hundert Gedanken jagten mir in wilder Unordnung durch den Kopf. Zumindest würde ich mein Land behalten, denn das war nicht Teil der Abmachung gewesen. Doch ohne Burg waren wir nichts mehr als bessere Bauern.
Auf dem Weg zu meinem Pferd vergaß ich die wilde Drohung, die ich ausgestoßen hatte, denn inzwischen war mir klargeworden, dass wir andere Sorgen hatten als ein reliquiengieriger Prior und dass Joana mit ihrer Vermutung recht hatte. Es ging um Rocafort.
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Buch III
»Ich wartete des Guten, und es kommt das Böse; ich hoffte aufs Licht, und es kommt Finsternis.«
Altes Testament
Hiob 30.26
»Erhaben ist Gott, der tun kann, was er will und wie er will! Das Schicksal lässt sich nicht hinausschieben, indem man sich zurückhält, ebenso wenig wie es sich beschleunigen lässt, wenn man mutig angreift!«
Emir Usama Ibn Munqidh von Schaizar (*1095 – †1188)
Castel Rocafort
Las Corbieras, Anno Domini 1131
H eute war ich unruhig und brauchte Bewegung.
Es waren nun schon drei ganze Tage, dass ich mich mit dem Mönch Aimar im Turm verkrochen hatte, um meine Geschichte zu erzählen. Da wird man steif, und der Rücken schmerzt vom langen Sitzen.
Auch Alina, meine Lieblingsstute, scharrte ungeduldig mit den Hufen, als ich den Stall betrat. Sie ist Ghalibs Tochter, und in ihr lebt er weiter, wie in vielen anderen, die inzwischen sein Blut in sich tragen. Sie ist schwarz wie ihr Vater, und ihr Fell ist wie Samt. Zärtlich und ungestüm zugleich. Zu feingliedrig für ein Schlachtross, aber schnell. Sehr schnell. Am frühen Morgen, gleich nach dem Morgenmahl, ritten wir aus.
Bruder
Aimar hatte ich auf eines unserer zähen Bergponys gesetzt. Er war kein Reiter, doch er biss die Zähne zusammen und schaffte es irgendwie, nicht vom Sattel zu rutschen. Brun und zwei seiner Männer begleiteten uns, und so machten wir unseren Weg mit klappernden Hufen durch das Dorf an der Schmiede vorbei und folgten dem Pfad durch Wiesen und Felder hinauf zu den Bergen.
Brun machte einen unausgeschlafenen Eindruck. Auch er wird älter, dachte ich nicht ohne Genugtuung. Er war wesentlich jünger als ich, und bisher waren mir die ersten grauen Strähnen in seinem Haar gar nicht aufgefallen. Aber Brun ist stark und verlässlich wie eh und je. Ein freundlicher Hüne mit einem scheuen Lächeln. Doch unterschätzen sollte man ihn nicht, denn er ist hart im Kampf. Als
capitan
unserer kleinen Kriegsmannschaft hat er mir seit zwanzig Jahren treu gedient. Es wird Zeit, dass ich ihm für seine Kinder ein Stück Land zum Lehen gab. Ich würde Bruder Aimar bitten, eine Urkunde aufzusetzen.
Das schöne Herbstwetter hatte sich gehalten, und in der kühlen Morgenluft trabten die Gäule den langen Hang hinauf, vorbei an den Koppeln des Gestüts, das Hamid und ich errichtet hatten, bis es steiler wurde und wir in einen gemächlichen Schritt verfielen. Bald gelangten wir an die Gabelung des Pfades. Geradeaus geht ein schmaler Steig über den Berg und wieder hinunter in die tiefe, weite Talebene, wo eine
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