Der Bastard von Tolosa / Roman
Tagesreise von Rocafort entfernt Adela auf dem alten Landsitz meines Onkels lebt. Wir aber nahmen die Abzweigung nach Westen, einen sanfteren Anstieg entlang des langgezogenen Bergrückens, an den sich der Bugarach anschließt. Ersteigt man seine Spitze, dann sieht man im Norden die Schwarzen Berge, an deren Fuß Carcassona liegt, im Süden die weißen Gipfel des Pireneus, und an klaren Tagen kann man ostwärts bis zum Meer blicken.
Am frühen Vormittag, die Sonne zeigte trotz der Jahreszeit noch Biss, saßen wir ab und genossen die Aussicht über unser weites Tal. Gott hat diese Landschaft mit großer Schönheit gesegnet. Trotz des dürftigen Bodens und der Hitze, die hier im Sommer herrscht, erfreut ein wohltuendes Grün in vielen Schattierungen das Auge, sogar noch in der kalten Jahreszeit.
Wir ließen uns auf einen Felsbrocken nieder und legten an Wegzehrung aus, was Maria uns mitgegeben hatte. Unter uns das sonnendurchflutete Tal, der Blick in die Ferne zu den blauen Bergen, die Luft prickelnd frisch und nach feuchter Erde duftend. Was will ein Mensch mehr, um glücklich zu sein?
Wir aßen eine Weile stumm und reichten den Wein herum. In einiger Entfernung lag Rocafort unter uns, zu beiden Seiten von den massigen Felsgruppierungen flankiert.
»Sie sehen aus wie steinerne Wächter«, meinte Aimar, während er auf seinem Stück Wurst kaute. »Auf welchem wurden die Menschenopfer gebracht?«
»Hast du dir also diesen heidnischen Unsinn gemerkt«, antwortete ich. »Daran glauben wir doch nicht, was, Brun?« Ich zwinkerte ihm zu. Er war immer noch ein wenig abergläubisch.
»Es wird viel erzählt, Herr. Wer weiß?«
»Jedenfalls war der Felsen von Rocafort schon in grauer Vorzeit befestigt. Es gibt römische Mauerreste im Fundament. Die meisten Burgen hier gehen auf alte Wehrtürme zurück. Sie sind Glieder in einer Kette, vom Pireneus bis nach Carcassona, um vor Maureneinfällen zu warnen. Das war, als der ganze Süden noch eine einzige Grenzmark war, von der Gasconha im Westen bis zur Provence im Osten und über das Gebirge bis nach Catalonha. Lange Zeit war das Land geeint, und du kannst es daran erkennen, dass wir hier im Süden alle die gleiche Sprache sprechen. Oder fast.«
»Im Norden sprechen sie anders?«
»Ganz anders.«
»Wie lebt es sich da im Norden?«
»Das Land ist flach und kalt, habe ich mir sagen lassen. Feucht und nebelig. Die Kaufleute klagen, dass ihre Karren oft im Schlamm stecken bleiben, so morastig ist es.«
»Mit Verlaub, Herr, ich war einmal in Paris«, mischte sich einer der Männer ein. »Es war Winter, die Straßen voller Schnee. Das Essen war schlecht, und ich habe nur gefroren. Außerdem sind die Leute hochnäsig und mürrisch. Glaubt mir, Bruder Aimar, selbst Gascogner und Katalanen sind mir lieber als die kalten Fischköpfe und Käsefresser aus dem Norden.«
»Nur weil dich keines ihrer Weiber unter ihren Rock gelassen hat«, knurrte Brun gutmütig. Wir stimmten alle in sein Lachen ein.
Nach dem Mahl führten wir die Pferde eine Weile am Zügel, denn der direkte Weg ins Tal ist steil. Später wich der Wald den Viehweiden, und schließlich ritten wir durch gutes Ackerland. Hier und dort ernteten die Bauern Kürbis und Rüben. Das Kraut wurde zu Haufen zusammengerecht und verbrannt, so dass weißer Qualm über den Feldern lag. Die Asche ist als Dünger fast so gut wie Viehjauche.
Auf einem der Felder arbeitete ein leibeigener Bauer. Er sah müde und abgezehrt aus. Zwei kleine Buben und ein Mädchen, keiner älter als fünf Jahre, versuchten, ihm zu helfen. Sie waren dreckig und halb nackt und starrten uns aus großen Augen an. Am Wegrand lag ein Korb am Boden, aus dem ein Säugling schrie, als würde man ihn am Spieß rösten.
»Was lässt du das Kind schreien, Matiu?«, knurrte ich.
Der Mann war immer ein guter Arbeiter gewesen, aber seit die Frau gestorben war, war er unzuverlässig geworden. Ich vermutete, dass ihn der Weinteufel am Kragen hatte.
»Der kleine Racker will keine Ziegenmilch, Herr. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll.« Er war näher getreten, den Rechen in der Hand, das Gesicht schmutzig von der Asche des Feuers, die Augen eines vom Schicksal Geschlagenen. Er war schon immer ein Schwächling gewesen, und ohne Frau kam er gar nicht mehr zurecht.
Ich seufzte. »Bring das Kind zur
cosiniera!
Sie wird eine junge Mutter finden, die noch Milch in den Brüsten hat. Ich glaube, die Kleine von Berards Tochter ist noch nicht entwöhnt. Aber gleich heute
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