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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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hervortretenden, traurigen Augen aussah wie einer meiner Bauern auf dem Feld, nur noch ausgemergelter. Hier hatte ich als Knabe gebetet, manchmal ehrfürchtig, meist eher unfähig stillzuhalten und ungeduldig, ins Freie zu entkommen. Auch heute war es nicht anders. Ich kniete kurz, murmelte ein schnelles
pater
noster,
bekreuzigte mich und trat wieder ins Freie.
    »Wo ist der Prior?«, fragte ich den kahlen Mönch, der auf mich gewartet hatte.
    »Im
scriptorium,
Herr. Ich werde Euch ankündigen, wenn Ihr mir Euren Namen sagt.«
    »Führ mich einfach hin. Das geht schneller«, brummte ich.
    Er sah verunsichert aus. Das war wohl nicht die Gepflogenheit hier. Ich fasste ihn an der Schulter und gab ihm einen leichten Schubs.
    »Na los, was wartest du?«
    Er zuckte mit den Achseln und ging schließlich voran. Ich folgte ihm auf dem Fuß. Das Gemäuer der Klostergebäude war von ähnlich gedrungener Bauweise wie das der Kirche. Wir traten durch eine kleine Pforte, deren altersgraues Holz aussah, als stamme sie noch aus der Zeit der Römer. Nach einem kurzen Gang betraten wir einen erstaunlich sauberen und freundlichen Raum. Bücherborde säumten die Wände, gefüllt mit sorgfältig aufgeschichteten Buchrücken und alten Schriftrollen. Große, mit hauchdünner Kalbshaut ausgeschlagene Fenster beleuchteten eine Reihe von Schreibpulten. Zwei von ihnen waren besetzt. Ein hagerer Mann in einem Mönchshabit aus feinem Tuch diktierte einem anderen, der emsig über sein Pult gebeugt war.
    »Prior Bernard«, sagte mein Begleiter mit einem verhaltenen Räuspern, und der hagere Mönch drehte sich ungehalten um. Er war ein Mann in mittleren Jahren mit erstem Frost in den Haaren. Er besaß kleine Augen, eine scharfe Hakennase und einen hochmütigen Mund. Als er mich gewahrte, wurde seine Miene für einen Herzschlag lang unsicher, dann fing er sich und lächelte freundlich. Fast zu freundlich, für meinen Geschmack.
    »Ich hatte also recht, denn mir war vorhin, als hätte ich ein Pferd gehört!«, sagte er. »Ihr müsst Jaufré Montalban sein.« Er trat einen Schritt näher. »Der Herr sei mit Euch,
Castelan.
Ich freue mich, dass wir uns endlich begegnen.« Er schüttelte meine Hand aufs wärmste.
    »Warum habt Ihr mich dann für tot erklärt?«, fragte ich ohne Umschweife.
    »Ach das«, lachte er und zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Ihr wart verschollen. Was sollte man anderes annehmen nach so vielen Jahren? Da sieht man mal, wie sich der Mensch irren kann. Aber danken wir lieber dem Herrgott in seiner unendlichen Güte, dass er Euch wohlbehalten heimgeführt hat.
Domna
Berta muss überglücklich sein! Ein wahres Wunder!«
    Nun, sehr glücklich ist sie nicht, doch das ging den Pfaffen wenig an. Er hatte mir den Weg zu einem kleinen Empfangsraum gewiesen. Ich setzte mich auf den angebotenen Stuhl, und der Prior rief nach Erfrischungen, die in kürzester Zeit auf einem Tischchen zwischen uns abgestellt wurden.
    »Trinken wir auf Eure glückliche Heimkehr!«, rief er und hob seinen Weinkelch. Ich nahm einen Schluck. Ein edler Tropfen, bemerkte ich. Auch die Kelche aus buntem Glas sahen kostbar aus. Der Prior schien die schönen Dinge des Lebens zu schätzen. Trotz seiner Freundlichkeit wollte ich die Sache mit der Urkunde noch nicht auf sich beruhen lassen.
    »Wieso habt Ihr die Urkunde einem Fremden ausgehändigt?«
    Einen Augenblick lang sah er mich leicht gereizt an, aber dann zwang er wieder ein Lächeln auf seine Züge.
    »Ganz einfach,
Castelan
«, sagte er immer noch freundlich, wenn auch mit einer Spur von Herablassung. »Es war ja allgemein bekannt, dass
Domna
Berta vorhatte, sich neu zu vermählen. Nach so langer Zeit musste sie schließlich vermuten, Ihr hättet Euer Grab bei den Sarazenen gefunden, wie so viele. Und für eine Frau allein ist es hart, zwei Söhne zu erziehen. Was liegt also näher, als dem zukünftigen Bräutigam die Unterlagen auszuhändigen. Das ist doch verständlich, oder?« Er sah mich an, als ob selbst ein Dreijähriger dies verstehen müsse. »Aber nun,
mercé de Dieu,
ist alles anders gekommen«, fuhr er lächelnd fort. »Damit ist die Sache natürlich aus der Welt.«
    »Borcelencs hat immer noch die Urkunde!«
    »Das ist nicht von Belang«, wischte er meinen Einwand ungeduldig hinweg. »Ich werde den Eintrag in den Klosterannalen streichen, und damit ist es erledigt.«
    »Ganz wohl ist mir nicht bei der Sache.«
    »Aber lieber Montalban. Macht Euch keine Gedanken.
Senher
Robert kenne ich als

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