Der Bastard von Tolosa / Roman
Schatulle. Auch den Schrank versperrte er sorgfältig. Als er sich umdrehte, war jede Freundlichkeit aus seinem Gesicht verschwunden.
»Nun«, sagte er kalt. »Eigentlich hätte ich Euch dies niemals zeigen sollen. Die Sache ist vertraulich.«
Oha, dachte ich. Warum sollte eine Reliquie vertraulich sein? War sie etwa unrechtmäßig erworben oder gar gestohlen? So etwas war nicht ungewöhnlich. Nun, sei’s drum.
»Mit Eurem Vorgänger«, lenkte ich nun das Gespräch auf den Kern meines Anliegens, »mit Prior Julianus also, hatte ich eine Abmachung.«
»Darüber bin ich im Bilde«, erwiderte er kurz angebunden.
»Ist er schon lange verstorben?«
»An die fünf Jahre.«
»Ich hoffe, Ihr betet für seine Seele, denn er war ein guter Mann«, sagte ich, nachdem ich mich bekreuzigt hatte.
Der Prior blieb stumm.
»Er hat mir damals eintausend
solidi
geliehen.«
»Und dafür habt Ihr uns die Burg als Sicherheit überschrieben.«
»Nun ja. Das heißt, nur die zeitweilige Nutzung.«
»Seid nicht spitzfindig,
Cavalier!
Das läuft auf dasselbe hinaus.«
Seine herablassende Art begann mich zu ärgern.
»Nur solange die Anleihe nicht getilgt ist. Und was wollen Mönche mit einer Burg?« Ich lachte als Versuch, die Stimmung aufzuheitern. »Nein, es ging nur um den Wegezoll, den Rocafort zu erheben berechtigt ist. Bis zur Tilgung sollten die halben Einnahmen daraus an Cubaria gehen. Das Eintreiben des Wegezolls sollte weiterhin unserer Familie überlassen bleiben, wie auch das Wohnrecht. Es ist ja schließlich unser Familiensitz, und wir haben militärische Verpflichtungen gegenüber unseren Lehnsherren.«
»Was Ihr Euren Lehnsherren schuldet, geht mich nichts an«, erwiderte er schroff. »Ihr habt die Burg verpfändet, mehr weiß ich nicht!«
»Ich wollte nur an die Verabredung mit Eurem Vorgänger erinnern«, sagte ich, so ruhig es ging, obwohl mir die Galle hochstieg. Wie kommt es, dass Leute, denen man Geld schuldet, immer glauben, sie müssten sich von ihrer hochmütigsten Seite zeigen?
»Ihr erzählt mir nichts Neues. Würdet Ihr nun zur Sache kommen?«
»Gut, dann sind wir uns so weit einig. Nun zu
Domna
Bertas Anleihe. Auf wie viel beläuft sie sich?«
»Dreihundert
solidi.
«
»Welche Sicherheiten?«
»Keine. Man hat für sie gebürgt!«
Da war ich überrascht. »Wer denn?«
»Der Bräutigam. Äh, der edle Borcelencs, meine ich.«
Hier hätte ich aufhorchen sollen.
Aber ich war noch zu sehr in die Einzelheiten unserer Schuldverschreibungen vertieft.
»Nun«, sagte ich mit Genugtuung, »heute Nachmittag komme ich zurück und übergebe Euch das Gold in barer Münze. Insgesamt also eintausenddreihundert
solidi.
Es ist doch nicht mehr, oder?«
»Nein, nein!« Er schien verwirrt.
»Da ist noch etwas«, sagte ich und zog Odos Urkunde aus meiner Gürteltasche. »Die Mühle unten am Fluss.«
»Was ist mit ihr?«
»Mein Oheim hat mir die Pacht überschrieben.«
Ich ließ ihn das Schriftstück lesen. Er wurde rot vor Ärger und warf mir einen bösen Blick zu. »Die Mühle ist Kircheneigentum. Das ist Begünstigung«, giftete er.
»Sie bleibt ja Eigentum des Bistums. Ich pachte sie nur«, erwiderte ich und nahm die Pachtvereinbarung wieder an mich. »Ich komme also am Nachmittag und bezahle alle Schulden. Bitte haltet die Dokumente bereit, damit wir die Sache aus der Welt schaffen können.«
»Tut mir leid, aber damit kann ich Euch nicht dienen.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Nun.« Er räusperte sich umständlich. »Ich habe die Schuldverschreibungen verkauft. Zu einem sehr guten Preis, wohlgemerkt.« Er lächelte selbstgefällig. »Mir schuldet Ihr also gar nichts,
Senher
Jaufré. Behaltet Euer Gold.«
»Verkauft? Wie kommt Ihr dazu?«
»Das Kloster kann schließlich nicht ewig auf Tilgung warten. Und das bisschen Wegezoll …«
Da wusste ich, warum er es vorher so plötzlich bereut hatte, mir diese verdammte Reliquie zu zeigen.
»Für einen gestohlenen Unterkiefer habt Ihr meine Burg verkauft?«, schrie ich erbost. »Noch dazu ein gefälschter, verflucht! Den hat doch jemand aus einem Armengrab gebuddelt und Euch einen Riesenbären aufgebunden. Der Heilige Antonius … dass ich nicht lache!«
Ich war aufgesprungen und schnappte nach Luft vor Wut. Auch der Prior war von seinem Stuhl hochgefahren.
»Wie könnt Ihr es wagen«, zischte er. »Bauerntölpel, der Ihr seid! Sohn eines spanischen Kriegsknechts. Was wisst Ihr von heiligen Reliquien?«
Auf einmal begann es, mir zu
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