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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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aber sie wussten, dass auch nur ein einziger Pfeil den Tod der Geiseln bedeuten würde. Auch Ricard wusste das und lächelte spöttisch.
    »Was ist geschehen, Joan?«, fragte ich sanft.
    Es dauerte, bis der Junge reden konnte und auch dann nur mit Unterbrechungen. Ohne Vorderzähne und mit geschwollenen Lippen war er kaum zu verstehen. Anscheinend hatte er Odo nicht in Narbona angetroffen. Er sei erkrankt, hatte es geheißen, und man habe ihn auf sein Landgut nach Monisat gebracht. Niemand im Palast des Erzbischofs hatte Joan zuhören, geschweige denn einen Kriegshaufen nach Rocafort senden wollen. Daraufhin hatte er nach Monisat reiten und auf dem Weg dorthin zuerst uns berichten wollen. Dabei hatten ihn Roberts Männer aufgegriffen, und sein Versuch, vor ihnen davonzulaufen, hatte sie misstrauisch gemacht.
    Die Tränen liefen ihm über sein zerschundenes Gesicht. »Ich habe alles falsch gemacht,
Senher,
und Eure Hoffnungen enttäuscht.«
    »Du hast getan, was du konntest, Joan«, sagte ich zu ihm. »Und ich danke dir dafür. Der Herrgott wird deine Peiniger bestrafen.«
    Ricard fand das sehr vergnüglich. »Der Herrgott wird deine Peiniger bestrafen«, äffte er mich nach. »Sieh ein, dass Odo euch nicht helfen wird. Rocafort ist verloren. Nur eine Frage der Zeit.« Er genoss es, Salz in unsere Wunden zu reiben, und lachte höhnisch.
    »Certas«,
sagte ich mit gespielter Ruhe. »Eine Frage der Zeit. Wir haben genug davon. Aber habt ihr sie auch?«
    »Ergib dich lieber gleich, Jaufré, und alles Leiden ist vorüber. Wir wollen nur die Burg. Du und deine Bauern haben nichts zu befürchten.«
    Niemand sagte etwas. Aber manch einer äugte verstohlen zu mir herüber, als erwarteten sie von mir einen wundersamen Ausweg aus dieser Zwangslage.
Putan, merda!
Wie ich dieses Schwein hasste! Mit bloßen Händen hätte ich ihn erwürgt, wäre da nicht die Mauer zwischen uns gewesen … und mein unglückliches Kind dort unten wie ein Tier in seinem Käfig.
    »Ihr marschiert einfach raus, und das war’s!«, versuchte er noch einmal.
    »Ohne Kampf?«
    »Ohne Kampf. Ich schwör’s!«
    Mancher Hasenfuß schien Ricards Beteuerungen zu glauben, wie ich an den unsicheren Blicken einiger Männer erkannte. Doch seinem Vorschlag nachzukommen, wäre Tollheit gewesen. Ricard war ein schlechter Schauspieler, denn das Funkeln in seinen Augen verriet die Lüge. Trotz ihrer Verluste, mit an die vierzig kampffähigen
pezos
und den fünfzehn Reitern, die Robert zurückgelassen hatte, würden sie mein Häuflein Bauern schneller umbringen, als es braucht, eine Gans zu schlachten.
    »Geh zum Teufel!«, schrie plötzlich eine helle Frauenstimme von der oberen Ringmauer hinter uns. Als wir uns überrascht umdrehten, gewahrten wir Berta stolz und erhobenen Hauptes stehend, beide Fäuste in die Hüften gestemmt. Joana stand neben ihr, nicht minder grimmig. Sie mussten alles mit angehört haben, denn da Ricards Gruppe gebührenden Abstand zur Mauer hielt, hatten wir mit lauter Stimme gesprochen.
    »Wie weit man deinem Wort trauen kann«, rief Berta von ihrem Platz auf der hohen Mauer, »das hast du Mordgeier uns ja schon gezeigt. Unseren Tod habt ihr doch längst beschlossen. Also kriech zurück in dein Loch, du elender Wurm, und verschwende nicht länger unsere Zeit!«
    Die Leute flüsterten und raunten aufgeregt und machten besorgte Gesichter über solch harsche Worte. Und dennoch, trotz ihrer Furcht, klang Bewunderung für ihre Herrin durch. In Augenblicken wie diesen suchen die Menschen nach Halt und Führung. Dass eine Frau so furchtlos sprach, beschämte die Verzagten. Hoffnung hatte Berta ihnen nicht gegeben, aber Entschlossenheit.
    »
Domna
Berta«, versuchte es Ricard abermals. »Wir bieten freies Geleit. Denkt darüber nach!«
    »Du hast die
domina
gehört«, knurrte ich. »Das Geschwätz ist jetzt beendet!«
    »Also gut!«, rief er fast triumphierend. »Ihr habt es so gewollt.« Er warf seinen Männern einen vieldeutigen Blick zu, und sie grinsten zurück. Da braut sich etwas Teuflisches zusammen, dachte ich.
    »Ist heute nicht
la festa de
Sant Joan,
Domna
Berta?«, rief er ihr zu. »Das muss doch gebührend gefeiert werden. Wir werden Euch ein Feuer anzünden, an das Ihr Euch noch lange erinnern werdet.« Er wendete seinen Fuchs und zeigte auf den armen Joan
lo Bon.
»Mit dem hier fangen wir an! Und von jetzt an wird es jede Nacht ein Johannisfeuer geben. Und als letzten, Jaufré, verbrennen wir den kleinen Krüppel, deinen Sohn

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