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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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und unsinnige Heldentaten waren nicht angesagt.
    War es ein Fehler gewesen, Drogo in die Berge zu schicken? Hätten wir sie mit vereinten Kräften überwältigen können? Es fiel mir schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, auch wenn alle es von mir erwarteten. Die plötzlichen Enthüllungen, die Eindrücke der vergangenen Nacht und dann Ramon dort unten in diesem Käfig zu wissen. Was mochte in seinem schreckgequälten Herzen vorgehen? Sein einfältiges Leben war bisher glücklich verlaufen, am kühlen Fluss bei Marta und Jori und ihren Kindern. Er hatte nichts von mir gewusst, begriff nicht, warum jener fremde Mann aus Outremer sein Vater sein sollte. Einmal kam es mir vor, als hörte ich ihn schreien. Aber als ich ans Turmfenster stürzte, ließ sich nichts erkennen. Nur eine tote Frau lag unten im Lager vor dem Küchenzelt, nackt in der Sonne, wie ein vergessener, weißer Fleischklumpen. Es war weder Rosa noch Marta, so glaubte ich zu wissen. Wahrscheinlich eine der Bäuerinnen. Warum, zum Teufel, begruben sie den Kadaver nicht?
    Ricard würde nicht einlenken. Er würde neue Geiseln finden und uns jede Nacht quälen, bis wir alle verrückt wurden. Unschuldige litten und verloren ihr Leben. Ich biss mir auf die Lippen. War es der Fluch, Bastardsohn eines verdammten Fürsten zu sein, oder der Preis für mein gewalttätiges Leben? Ich ertappte mich bei Selbstgesprächen mit dem Prior von Fontfreda. Wenn der Mensch schon als Sünder zur Welt kommt, hat er dann überhaupt eine eigene Wahl? Und wenn nicht, wozu Vergebung? War Ricard von Grund auf schlecht, und musste man ihn nur zertreten wie einen Skorpion? Oder war er fähig zur Reue und wert, gerettet zu werden? Und wie stand es um mich, der im Namen des Herrn getötet hatte? Jesus selbst war auf einem Esel in Jerusalem eingezogen, nicht an der Spitze einer Heermacht. Was hatten wir nur aus seinen sanften Gedanken gemacht?
    Aber solche Überlegungen brachten mich nicht weiter. Ich musste einen Ausweg finden. Sollte ich mich selbst ausliefern? Robert wollte die Burg, aber auch meinen Tod. Vielleicht wäre dann Ramon gerettet, ebenso wie all die anderen. Und Berta könnte von vorn beginnen. Gold genug gab es bei dem Juden in Narbona. Sie könnte die Schäden an Vieh und Feldern ausgleichen, den kurzen Spuk meines plötzlichen Auftauchens wieder vergessen. Mein Leben war ohnehin nichts wert. Wem nützte ich in irgendeiner Weise? Eine Weile lang gaukelte ich mir vor, dass mein Opfer die Lösung sein könnte.
    Doch auch das würde nichts helfen, denn Berta würden sie ebenso wenig am Leben lassen wie Martin oder Adela, niemand von Stand, dessen Wort und Zeugnis vor einem gräflichen Richter Gehör finden konnte. Nein, für sie war es klüger, alle Mitwisser umzubringen. Nur Raol würde überleben. Aber er war fest in Roberts Fängen, und der würde ihm schon die rechten Lügen auftischen.
    Und wo war das verfluchte Testament, wenn es so etwas überhaupt gab? Ich rief einen Knecht und ließ mir Cecilias Truhe kommen, in der Hoffnung, einen Hinweis zu finden. Obenauf lagen ihre wenigen Festkleider. Darunter erkannte ich ein blaues, mit Silberfäden besticktes Gewand. Das war ihr Hochzeitskleid gewesen, als sie Ramon Montalban geheiratet hatte, den Mann, der auf einmal nicht mehr mein Vater sein sollte. Ich nahm ihre besten Schuhe aus weichem Kalbsleder zur Hand. Ich erinnerte mich an sie und auch an einige ihrer silbernen Gürtelschnallen und Fibeln. Cecilia hatte immer auf ihr Äußeres geachtet, auch wenn sie weibischen Tand verabscheute.
    Ich fand ihren bescheidenen Schmuck und das Bildnis einer Frau. Das musste Ada, ihre Mutter, sein. Das Bild war nicht größer als mein Handteller und zeigte eine festlich gekleidete, junge Frau mit dunklen Augen und vollen Lippen, die Haare züchtig unter einer Haube versteckt. Kein Meisterwerk, nicht wie die Ikonen der Byzantiner. Aber man konnte erkennen, dass sie eine Schönheit gewesen war, schöner als Cecilia, wenn man dem Abbild trauen durfte, und – Odos Geliebte.
    Ja, ich wusste um diese geheime Liebe, die nicht hatte sein dürfen, denn Ada war seines Bruders Weib gewesen. Das hatte Odo bewegt, Mönch zu werden. Nachdem Jahre später der Bruder an einem Fieber gestorben war, hatte Odo sich um das Gut Monisat und um die kinderlose Witwe gekümmert. Doch als Priester hatte er sie zu beider Kummer nicht heiraten können, und Cecilia, die kaum ein Jahr später zur Welt kam, gaben sie als seine Nichte aus. Odo war also nicht

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