Der Bastard von Tolosa / Roman
würde einsehen müssen, dass Rocafort eine härtere Nuss war, als er angenommen hatte. Auch die Söldner würden nach diesem Aderlass die Burg gründlich hassen. Genug, so hoffte ich, dass sie Robert den Dienst aufkündigten oder sich weigerten, erneut gegen die Mauern zu stürmen.
Das zumindest würde eine Atempause für uns bedeuten, denn dass Roberts Rückschlag noch nicht das Ende der Belagerung bedeutete, war mir klar.
***
Als nach dieser wilden Nacht im Osten die Sonne aufging, machten sich die Mägde daran, das Mahl zu verteilen, das sie schon im Morgengrauen gekocht hatten. Haferbrei, eingelegte Oliven und saurer Kohl, gebratener Speck für die, die es mochten, oder Käse. Ein Festessen, das wir uns bei längerer Belagerung sicher nicht leisten konnten. Aber heute hatten die Männer es verdient. Ich ließ deshalb auch etwas verdünnten Wein ausschenken.
Berta schien sich wieder aufgerafft zu haben. Vielleicht hatte die brutale Wirklichkeit des Nachtangriffs sie aus ihrer Teilnahmslosigkeit geschreckt. Sie kümmerte sich mit Joana um die Verletzten und sprach den Frauen Mut zu. Mich dagegen behandelte sie, als sei ich unsichtbar.
Peire Alfons zimmerte einfache Särge für unsere Toten. Es folgte ein gemeinsames Gebet an den Herrn, sich ihrer Seelen anzunehmen. Dann, begleitet von den Wehklagen der Frauen, ließen wir die Särge an langen Seilen die steile Felswand auf der unwegsamen, dem Fluss zugekehrten Seite hinunter, bis sie tief unten im dichten Gehölz des Hanges festsaßen und nicht wegrutschen konnten. Dann holten wir die Seile wieder ein. Auf der Burg konnten wir die Toten nicht begraben und hofften, sie so vor wilden Tieren zu schützen, bis wir ihnen ein besseres Begräbnis geben konnten.
Meine Wunde pochte bösartig, die Ränder waren rot geschwollen. Joana machte Kräuterumschläge, um die Entzündung aus dem Fleisch zu ziehen, und befahl mir vollständige Ruhe. Sie bestand darauf, mir ein Lager in der
aula
einzurichten, damit sie mich leichter unter Beobachtung halten konnte.
Es dauerte nicht lange, und ich fiel in einen erschöpften, traumlosen Schlaf.
Am Nachmittag erwachte ich. Der Kopfschmerz war wie weggeblasen, und ich fühlte mich zwar matt, aber nicht mehr fiebrig. Hamid setzte sich zu mir, und wir überdachten unsere Lage.
Robert hatte unsere Stärke unterschätzt. Wieder einmal hatte sich gezeigt, dass eine Handvoll entschlossener Männer ausreicht, um eine gut gebaute Burg zu verteidigen. Und es erklärte, warum landein, landab die Burgherren das Sagen haben, oft mehr als die großen Adelsgeschlechter, denn mit Hilfe von Burgen lassen sich weite Landstriche mit wenigen Kriegern beherrschen.
Für Robert aber stellte sich die Sache anders dar, denn wenn er Rocafort wirklich einnehmen wollte, war dazu eine bedeutende Schar an Fußkämpfern nötig. Bauern sind dafür meist nutzlos und von der Feldarbeit nur für kurze Zeit abkömmlich. Und ein größeres Söldnerheer über lange Zeit zu unterhalten, das kostet ein Vermögen.
Deshalb war es unwahrscheinlich, dass er die Geduld hatte, uns monatelang zu belagern. Um eine schnelle Entscheidung herbeizuführen, würde er eine bessere Angriffsstrategie brauchen, aber vor allen Dingen mehr Männer. Deshalb überraschte es mich nicht, als Hamid berichtete, dass Robert mit einer Handvoll Reitern das Lager verlassen hatte. Ohne Zweifel, um Verstärkungen heranzuholen, während seine Hauptmacht uns hier festhielt. Wir waren also bei weitem noch nicht am Ziel und der Ausgang des Kampfes ungewiss.
Während wir uns unterhielten, merkte ich, dass Hamid nicht recht bei der Sache war. Ich kannte ihn zu gut, um nicht zu ahnen, dass ihn etwas beschäftigte, etwas Unangenehmes. Als ich ihn danach fragte, sah er betreten zu Boden.
»Ich fürchte«, erwiderte er, und seine Stimme klang dunkel vor Schmerz, »sie versuchen auch etwas anderes, um uns in die Knie zu zwingen.«
»Was geht da unten vor?«, fragte ich misstrauisch.
Er räusperte sich umständlich. »Sie haben einen Käfig gebaut.«
»Einen was?«
»Sie haben im Rechteck dicke Pfähle in den Boden gerammt und darüber ein festes Gitterwerk aus Holzstangen errichtet.«
Ich war verblüfft, bis ich plötzlich verstand. »Sie halten Gefangene.«
Hamid nickte betrübt. »Sie hätten sie leichter in eine Hütte sperren können, aber wir sollen wohl das Schauspiel genießen.«
Ich fuhr hoch. »Das will ich sofort sehen.«
Er drückte mich zurück auf mein Lager. »Ruh dich aus. Du kannst
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