Der Bastard von Tolosa / Roman
Viper!«
»War einen Versuch wert.« Es schien ihn sehr zu erheitern.
Leon
la Vespa
starrte mich hasserfüllt an. Duran dagegen musterte mich, ohne zu blinzeln, mit eiskalten Augen wie eine Katze ihre Beute. Beide konnten es nicht abwarten, mit mir abzurechnen. Ricard deutete auf die verwesenden Leichen seiner
pezos
und rümpfte die Nase.
»Es riecht,
putan,
nicht gut bei euch.«
»Wer ist das Milchgesicht?«, fragte ich.
»Mein junger Begleiter hier?«, erwiderte er, obwohl er selbst nur wenige Jahre älter war. »Erlaubt mir, ihn vorzustellen. Er nennt sich Jordan de Laforcada und ist Borcelencs’ Knappe und Schildträger. Ein Mann von edlem Geblüt.«
Ricard schien Roberts höfische Manieren nachäffen zu wollen, aber mit eher kläglichem Erfolg, so wie eine Stadthure, die versucht, sich als wohlgeborene
domna
aufzuspielen. Der junge
donzel
hatte ein hübsches Gesicht und eine vornehme Haltung. Er beobachtete mich neugierig aus hellgrauen Augen. Seine blonde Lockenpracht trug er heute im Nacken zusammengebunden. Erst wenig Flaum spross ihm auf der Oberlippe. Er war jung für einen Schildträger, der ja seinen Herrn nicht nur zu bedienen, sondern auch in der Schlacht zu schützen hatte, und besonders kriegerisch sah er nicht aus. Er schien auch nicht in diese Gesellschaft von Halsabschneidern zu passen.
»Schickt Robert jetzt Kinder, um sein Anliegen zu verhandeln?«
»Verhandelt wird mit mir!«, sagte Ricard bestimmt. »Nachdem die beiden Narren da unten so kläglich versagt haben.« Gemeint waren wohl der einäugige Graubart und der Hauptmann der
pezos.
Durch ihr Unvermögen, die Burg im Sturm zu nehmen, mussten sie an Einfluss eingebüßt haben.
»Rocafort ist eine härtere Nuss, als mancher denkt.«
»Ziemlich stachelig in der Tat«, nickte er zustimmend und kicherte. »Aber ich hatte sie gewarnt. Einen Hauptmann der
militia christi
sollte man nicht unterschätzen.« Er tönte, als sei er selbst ein erfahrener Veteran der
militia.
Ich konnte mir vorstellen, wie unerträglich er mit seinen wenigen Monaten in Outremer herumprahlte.
»Wo ist Borcelencs?«, fragte ich.
»Er hat Wichtigeres zu tun, als hier untätig auf seinem Hintern zu sitzen.«
»Und warum machst du gemeinsame Sache mit dem Kerl? Was springt für dich dabei raus?«
Die Antwort überraschte mich.
»Mein hochmütiger Vetter Bertran soll sehen, wer der bessere Mann ist!« Dieser hasserfüllte Satz musste ihm, ohne nachzudenken, entschlüpft sein, denn gleich beherrschte er sich wieder. »Unser Ziel ist Tolosa. Aber später, wer weiß, vielleicht auch Tripolis.«
»Er hat dir Tripolis versprochen?«
Der Gedanke war so absonderlich, dass ich laut lachen musste. Dieser Wicht war gefährlich, doch ein Fürst war er bestimmt nicht. Bei meinem Gelächter war Ricard die Schamröte ins Gesicht gestiegen, und seine Augen funkelten vor Bosheit.
»Genug von diesem Gerede!«
Er drehte sich im Sattel um und winkte mit dem Arm nach unten in Richtung Lager. Sie hatten den Mann mit dem Sack über dem Kopf aus dem Käfig geholt, an Händen gefesselt und mit einem Strick um den Hals, an dem ein
pezo
ihn nun roh den Hang heraufzog. Einmal strauchelte er und fiel auf die Knie, was ihm einen Fußtritt einbrachte und erneutes Zerren am Strick.
»He,
ome!
Du sollst ihn nicht erdrosseln!«, rief Ricard. »Noch nicht jedenfalls.« Und er ließ wieder sein meckerndes Lachen hören. »Ich glaube, ihr kennt diesen Burschen«, grinste er.
Der
pezo
riss dem Gefangenen den Sack vom Kopf, und beim Anblick seines zerschundenen Gesichts stöhnten alle um mich herum auf.
Es war Joan
lo Bon,
Drogos Knecht, so genannt, weil er nicht nur fleißig war, sondern auch ein gutes Herz hatte. Alle liebten ihn im Dorf. Ihn hatten wir zu Odo geschickt. Sie mussten ihn geschlagen haben, denn seine Nase schien gebrochen, Blut besudelte sein Wollhemd, beide Augen waren zugeschwollen, ähnlich unförmig wie die Lippen. Der Strick würgte ihn, und wie er nach Luft rang, sah man, dass sie ihm alle Vorderzähne ausgeschlagen hatten.
»Nun, Jaufré. Von Odo kannst du keine Hilfe erwarten!«
»Woher willst du das wissen?«
»Mach den verdammten Strick los und lass den Vogel singen«, rief Ricard dem
pezo
zu. Kaum geschehen, brach Joan
lo Bon
in die Knie und begann, zu schluchzen und am ganzen Körper zu zittern. Die Männer um mich herum waren mit ihm aufgewachsen. Sie bebten vor Wut, ihn so zu sehen. Neben mir standen Gustau und Matiu. Ihre Hände krampften sich um die Bögen,
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