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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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und ihr Kopf ermattet an meiner Brust lag. Ich strich ihr über die Haare und wiegte sie wie eine Mutter ihr Kind. Bertas Haut verströmte einen Duft wie warmer Honig. So standen wir, bis sie ruhiger atmete. Und dann spürte ich ganz leicht ihre streichelnden Finger auf meinem Gesicht wie die Flügel eines Schmetterlings. Die Berührung löste eine plötzliche Sehnsucht in mir aus, nach etwas lang Verlorenem, so heftig, dass es mir den Atem nahm. Doch der Augenblick war nur flüchtig. Sie hob den Kopf und sah mir forschend in die Augen. Ihr Blick war voller Müdigkeit und Trauer. Ich wagte nicht, zu sprechen. Dann neigte sie ihr Gesicht zur Seite und seufzte, schlang die Arme um meinen Leib und hielt mich noch einen Augenblick umfangen, bis sie sich endlich von mir löste.
    »Was werden wir jetzt tun, Jaufré?«, fragte sie wieder gefasst, wenn auch bleich und mit blauen Schatten unter den geröteten Augen.
    Ich brauchte noch etwas Zeit, um mich aus dem Bann unserer Umarmung zu befreien. Meine Gedanken auf die nächsten Stunden und Tage zu richten, fiel schwer. Dennoch mussten wir bald eine Entscheidung treffen. Unser Heil lag nicht auf Rocafort. Die Rettung konnte nur von außen kommen.
    »Wir werden alle die Burg verlassen«, sagte ich langsam.
    »Was redest du da?«, fragte sie entgeistert.
    »Noch heute Nacht!«
    ***
    Mein überraschender Entschluss löste helle Aufregung aus und führte zu heftigen Auseinandersetzungen in der Burg.
    »Lasst uns ein gutes Mahl genießen«, hatte ich gesagt. »Es wird für eine Weile das Letzte sein, das wir hier zu uns nehmen, und von den Vorräten können wir nur wenig mitnehmen.« Diese Worte waren in Windeseile um die Burg gegangen, und die Leute mussten sich ernsthaft fragen, ob ich ganz richtig im Kopf war.
    Mein Plan betraf alle in der
familia
von Rocafort, und so war es angesagt, gemeinsam Rat zu halten. Um die Tafel in der
aula
saßen Hamid, Berta, Joana, Brun, Jaume, Lois Bertran von der Wachmannschaft und Matiu, einer der Jäger aus dem Dorf. Ihn brauchte ich, um meine Kenntnisse der näheren Umgebung aufzufrischen. Und als Stimme der Mütter des Dorfes lud ich Gisla dazu. Mir war klar, dass das Gesinde auf der Stiege uns belauschte, um nur ja zu erhaschen, was ihr
castelan
da vorhatte. Nun gut. Sie würden es ohnehin bald erfahren.
    Cortesa teilte das Essen aus, und Ana, eine junge Magd, füllte die Becher von unserem Besten. Berta sprach das Dankgebet, und dann langten wir zu. Trotz der grausigen Nacht, die hinter uns lag, oder vielleicht gerade deshalb, aßen die meisten mit großem Heißhunger, denn nicht nur körperliche Anstrengungen, sondern auch die Leiden der Seele zehren an den Kräften. Und davon hatte es ausreichend gegeben in dieser teuflischen Johannisnacht.
    Cortesas Kochkünste hatten sich merklich verbessert. Bei allem, was in diesen Tagen vor sich gegangen war, schien kaum jemand bemerkt zu haben, dass sie inzwischen ohne viel Aufhebens Joanas Herrschaft über die Küchenmägde übernommen hatte, die Arbeit einteilte und zusah, dass alle an der Tafel gut bedient waren. Vielleicht war es ihr neuer Ruhm als wehrhafte Jungfrau, der ihr allgemeinen Respekt eingebracht hatte.
    »Die Zeit ist gekommen, etwas zu unternehmen«, sagte ich. »Sie haben uns hier eingeschlossen und dazu verdammt, ihre Grausamkeiten tatenlos zu ertragen. Aber damit ist jetzt Schluss!« Ich warf den eisernen Schlüssel auf die Tafel. »Dies Ding hier öffnet uns den Weg zur Freiheit.«
    Sie starrten gebannt auf das angerostete Stück Eisen und blickten mich verständnislos an. Außer Joana, die den Schlüssel sofort erkannte. Sie aß wenig und sah elend aus. Die Kunde von der Gefangennahme ihres Köhlers hatte sie schwer getroffen. Nun musterte sie mich mit einem durchdringenden Blick.
    »Willst du etwa durch die Höhle gehen?«
    »Was für eine Höhle?«, fragte Berta.
    »In der Gegend gibt es überall Höhlen«, erklärte ich. »Wasser wäscht sich durch das Kalkgestein. So auch im Innern dieses Felsens, auf dem wir sitzen. Beim Bau der Fundamente ist man auf eine verborgene Spalte gestoßen, eine Art Kamin, der in die Tiefe führt. Unten, auf dem schroffen Hang oberhalb des Flussufers gibt es einen von Gestrüpp überwucherten Ausgang. Der ist innen durch ein schweres Eisengitter gesichert. Dazu ist dies der Schlüssel.«
    Sie hatten aufgehört zu kauen.
    »Ein geheimer Fluchtweg?« Jaume machte große Augen.
    »Wieso weiß ich nichts davon?« Berta blickte erstaunt zu Joana

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