Der Bastard von Tolosa / Roman
Dieu, Castelan!«,
rief Jaume und stieß sein Messer in die Tafel, dass es stecken blieb. »Ich bin dabei! Das Rumsitzen hab ich satt!«
Ich blickte zu Berta. »Ich verspreche dir Ricards Kopf, wie du verlangt hast!«
Alle starrten plötzlich Berta an. Ein Anflug von Röte ging über ihr Gesicht. Ihr Blick wanderte über die Versammelten, auf deren Mienen sie grimmige Zustimmung las. Außer Joana, die immer noch den Kopf schüttelte und verärgert etwas von »Leichtsinn« und »so war er schon immer« murmelte. Dann sah Berta mich lange an. Dabei überkam mich die Erinnerung an den Geruch ihres Haares und die Weichheit ihres Leibes in meinen Armen. War es nur eine flüchtige Umarmung gewesen? Hatte es irgendeine Bedeutung? Die Antwort auf diese Frage schien mir plötzlich von großer Wichtigkeit. Undeutlich ahnte ich, dass alles, was Berta tat oder sagte, mich schon seit unserer Ankunft auf eine Weise beschäftigte, die ich mir nicht erklären konnte.
»Was ist mit Rosa und Loisa …«, sie zögerte, »… und Ramon?«
»Ich hoffe, dass Ricard sie gehen lässt. Ansonsten, sobald wir können, befreien wir sie alle«, versprach ich. »Auch Ferran, Joana.«
Bei der Erinnerung an ihren
bel amic
machte Joana ein so klägliches Gesicht, dass ich mich neben sie setzte und sie an mich zog. Sie begann zu weinen. »Welches Unglück ist nur über uns gekommen, Jaufré?«, wehklagte sie und legte ihren Kopf auf meine Brust. Ihr rundlicher Leib wurde von heftigem Schluchzen geschüttelt. Ich hielt sie sanft und flüsterte ihr Mut zu, bis sie sich beruhigte.
Berta beobachtete uns. Hilfloser Zorn, Mitgefühl und Sorge um unser aller Wohl wechselten auf ihrem Gesicht ab. Eine kleine Falte stand auf ihrer Nasenwurzel, während sie lange nachdachte. Der Raum war still geworden. Schließlich holte sie tief Luft und atmete langsam wieder aus, so als ergebe sie sich ins Unvermeidliche. Dabei sah sie mir wieder in die Augen und nickte unmerklich. Sie hatte sich entschieden.
»Jaufré und Hamid sind die erfahrensten Kriegsmänner unter uns«, sprach sie mit gefasster Stimme. »Sie haben uns bisher gut geführt, und wir müssen ihnen auch in dieser Sache vertrauen. Solange sie als Erstes unser aller Wohl im Auge behalten, stimme ich zu.«
War sie dankbar, dass ich ihr das letzte Wort überlassen hatte? Jedenfalls belohnte sie mich mit einem tapferen Lächeln, so als lege sie ihr Leben und das der
familia
in meine Hände, nicht ohne Besorgnis, aber dennoch hoffnungsvoll. Gisla wischte sich eine Träne aus den Augen. Auch sie war einverstanden. Feierlich hoben wir die Becher und tranken auf die Erlösung von den verfluchten Peinigern da draußen. Als wir die Becher abgesetzt hatten, nahm Berta etwas Salz in die Hand und warf es über die Schulter.
»Auf gutes Gelingen!«, sagte sie.
»Auf gutes Gelingen!«, murmelten wir ihr nach und erhoben uns, um alles vorzubereiten.
Flucht durch die Unterwelt
Sanctus Iohannes
Sexta Feria, am Nachmittag, 24. Tag des Monats Juni
W ie in einem Bienenstock liefen sie geschäftig hin und her.
Brun kümmerte sich um Waffen und Kriegsgerät. Die
ballistae
wurden in Teile zerlegt, um sie tragen zu können. Was ich noch an Kettenhemden, Helmen und anderen Waffen besaß, wurde auf die Männer verteilt, ebenso Seile, Äxte, Schaufeln und Pickhacken, falls wir diese für Schanzarbeit brauchen würden. Ein Knecht verbrachte den ganzen Nachmittag an einem fußgetriebenen Schleifrad, um Schwerter und Speerspitzen ein letztes Mal zu schärfen. Dieses unverkennbare Geräusch mussten sie unten im Lager hören. Sollten sie doch versuchen, sich einen Reim darauf zu machen.
Eine Gruppe von Frauen fertigte einfache Tragetaschen für jedermann, nicht viel mehr als ein breites Tuch aus grobem Leinen mit einem kräftigen Band oder Lederriemen an beiden Enden, um das Ganze quer über die Schulter schlingen zu können. Jeder der Dorfleute würde zwei solcher Bündel tragen. Warme Kleidung für kühle Nächte würden wir mitnehmen, das Allernötigste an haltbaren Nahrungsmitteln wie Hülsenfrüchte, Korn, Käse und Speck. Den größten Teil der Burgvorräte würden wir allerdings zurücklassen müssen. Am meisten schmerzte mich der Wein, der in Fässern im Kellergewölbe lagerte.
Auf dem Burghof fand ich Magdalena und Hamid, der Enrics Bein untersuchte. Die Wunde hatte sich gut geschlossen, und eine dicke, rote Narbe war darüber gewachsen. Hamid hieß den Jungen gehen und beobachtete sein unbeholfenes
Weitere Kostenlose Bücher