Der Bastard von Tolosa / Roman
den Verstand zu bringen.
Putan, merda!
Wie hatte ich diese Hilflosigkeit satt!
Da fielen mir die Reiter an der Zollstelle wieder ein. Konnten sie uns irgendwie helfen?
Aber als ich über die Zinne blickte, da sah ich sie davonreiten, zurück, woher sie gekommen waren, und bald schon verschwand auch ihr Reitknecht hinter einer Wegbiegung. Enttäuscht atmete ich aus und ließ die Schultern hängen. Was hätten zwei Mann auch schon ausrichten können?
Unten im Lager führte ein Knecht gerade ein gesatteltes Pferd vor, und Ricard trat aus seinem Zelt, schwang sich auf und nahm eine mit einem weißen Tuch versehene Lanze aus den Händen des Knechts.
Mussten wir sein höhnisches Geschwätz erneut ertragen? Auf unserer Mauer sah ich Bogenschützen vortreten. Doch die auf ihn gerichteten Pfeile störten Ricard wenig, denn er trieb seinen Gaul den steilen Hang bis auf zehn Schritt an die äußere Ringmauer heran.
»He, Montalban!«, schrie er. Sein suchender Blick entdeckte mich auf dem Turm. »Ah. Da ist ja unser edler
Castelan!
«, rief er gutgelaunt. »Wie hat dir unsere Johannisnacht gefallen, eh?«
»Du bist ein toter Mann, Peyregoux!«
»Ha! Ich bin noch sehr lebendig!«
»Wer ins Feuer bläst, dem fliegen Funken ins Auge«, schrie ich wütend. »Hüte dich vor meiner Rache!«
»Willst du mir mit deinen Bauernweisheiten drohen? Deine Lage ist aussichtslos. Ergib dich lieber.« Nun hatte er Berta entdeckt. »
Domna
Berta! Sagt dem Dummkopf, er soll sich ergeben. Das erspart Euch weiteren Kummer. Wir lassen euch alle gehen, das ist versprochen.« Dann lachte er wieder, als meine er es nicht ernst.
Etwas tat sich unten im Lager. Sie hatten Marta aus dem Käfig geholt und schleppten sie zu einem neu errichteten Pfahl, um den sie wie gestern einen Scheiterhaufen gelegt hatten. Auch sie war nackt, und zwischen den Männern hing ihr Kopf wie leblos vornüber. Sie konnte kaum gehen, und immer wieder sackten ihre Beine weg, so dass sie den halben Weg über den Boden geschleift wurde. Jetzt hoben sie sie auf den Scheiterhaufen und banden sie an den Pfahl. Dort hing sie schlaff in ihren Fesseln, das Gesicht kaum noch erkennbar, Rippen, Arme und sogar die Brüste von Kratzern und Blutergüssen gezeichnet. Geronnenes Blut klebte an der Innenseite ihrer Schenkel. Sie schien nur noch ein misshandeltes Stück Fleisch zu sein, ein menschliches Wrack, das in nichts mehr an die warmherzige Frau erinnerte, die ich gekannt hatte und die meinem Sohn eine Mutter gewesen war.
»Sieh gut hin, Montalban«, johlte Ricard. »Wir bereiten uns schon auf die Abendfeierlichkeiten vor. Freut euch auf ein neues Fest der Sinne.« Er warf den Kopf in den Nacken und konnte sich kaum einkriegen vor Heiterkeit. »Wir werden heute Nachmittag noch ein paar eurer Bauerntölpel einfangen. Da ist Vorrat genug. Den Köhler haben wir auch schon gefunden. Ist er nicht
Domna
Joanas kleiner Freund,
son bel amic?
«
Meine Fäuste krampften sich zusammen. Lambesc hatte ihm natürlich genug Einzelheiten berichtet, um uns aufs äußerste zu quälen. Könnte ich ihm doch nur mit dem nackten Schwert das höhnische Grinsen aus dem Gesicht schneiden! Zum ersten Mal empfand ich, dass selbst das Pfählen bei lebendigem Leibe eine gerechte Strafe sein kann.
»Und vergiss nicht, Jaufré«, hörte ich ihn höhnisch rufen, bevor er dem Gaul die Sporen gab. »Deinen Ramon, den halten wir uns frisch … bis zuletzt.«
Ich starrte zum Käfig hinunter. Darin stand eine dünne Gestalt, die Hände in die Stangen gekrallt. Es brach mir fast das Herz.
O Santissima
Maria,
verlass uns nicht!
Berta musste zu lange um Fassung gerungen haben, denn plötzlich konnte sie nicht mehr und warf sich wie ein krankes Tier wimmernd an meine Brust. Die Wunde meldete sich scharf bei der brüsken Berührung, aber dieser Schmerz war mir fast willkommen und nichts gegen das, was unsere Seelen quälte. Ich schlang meine Arme um sie und hielt sie fest an mich gedrückt. Ihre Selbstbeherrschung war endgültig zerbrochen. Sie zitterte am ganzen Leib, und stöhnende, ja ächzende Laute kamen aus ihrer Kehle. Ab und zu warf sie das tränenüberströmte Gesicht in den Nacken und konnte kaum Luft durch den gramverzerrten Mund bekommen. Dann schlug sie auf meine Brust und war von Krämpfen geschüttelt, so dass ich sie festhalten musste, sonst wäre sie zu Boden gestürzt.
»Noch so eine Nacht halte ich nicht durch«, flüsterte sie zu Tode erschöpft, als die schlimmsten Weinkrämpfe vorüber waren
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