Der Bastard von Tolosa / Roman
meiner Mutter Anhes gewesen war. Einer der vielen Fehltritte, die sich der alte Markgraf Bernard de Provence bis ins hohe Alter geleistet hatte und für die er schließlich durch eine Wallfahrt nach Compostela hatte Buße tun wollen. Auf dieser Reise war er von Räubern erschlagen worden. Des Schutzes ihres markgräflichen Vaters beraubt, war Ricards Mutter am Hof in Ungnade gefallen und kaum geduldet aufgewachsen, hatte später einen armen Edelmann geheiratet, der früh verstorben war, und ihren Sohn Ricard allein und in ärmlichen Verhältnissen großgezogen. Der Junge hatte laut Bertran immer unter der Schmach gelitten, zum verachteten Teil der Familie zu gehören, und seinen mühsam unterdrückten Hass hatte er an anderen ausgelassen. Als Junge hatte er Katzen an Scheunentore genagelt und später dann aufmüpfige Bauern. Was er mit Frauen tat, hatten wir inzwischen selbst erlebt.
»Er ist krank im Gemüt oder vom Teufel besessen. Er hasst Bertran, weil der vermeintlich seinen Platz in der Welt gestohlen hat. Und mich sicher aus ähnlichen Gründen, nachdem er von Robert weiß, wer ich wirklich bin. Seine arme Mutter kann einem leidtun.«
Berta blickte mich kalt und verständnislos an.
»Was schert mich das Weib, aus dessen Leib diese Teufelsbrut gekrochen ist. Er gehört nicht in diese Welt. Mir ist gleich, wie du es anstellst, aber dieser Kerl hat sein Leben verwirkt.«
Es widerstrebte mir, kaltblütig den Tod eines Mannes zu planen. Doch vielleicht hatte Berta recht. Ich öffnete den Mund, um ihr zu antworten, als ich Berittene gewahrte, die an unserem Wachposten angehalten hatten, wo Ricards Männer den Weg absperrten und Reisende zur Umkehr zwangen. Zeugen der Belagerung waren ihnen wohl unangenehm. Es handelte sich um zwei
cavaliers
in Begleitung eines ebenfalls berittenen Reitknechts, der ein mit Gepäck und Waffen beladenes Maultier mitführte. Gute Gäule, bemerkte ich. Auf dieser Straße nach Quilhan, Couiza oder Limos waren Reisende aller Art und selbst gewappnete Reiter natürlich nicht ungewöhnlich.
Was mich dennoch näher hinschauen ließ, waren Ausrüstung und kriegerisches Gebaren der Ritter. Beide waren bis an die Zähne bewaffnet, in schwerer Kettenpanzerung, mit festgeschnallten Helmen, die selbst aus der Nähe wenig vom Gesicht hätten erkennen lassen. So gewappnet zu reisen, musste bei der Hitze, die in diesen Tagen herrschte, äußerst unangenehm sein. Soweit es sich in der Entfernung erkennen ließ, trugen Schilde und Helme Scharten und Beulen, als hätten sie schon manchen Kampf gesehen, und in den gepanzerten Fäusten hielten sie lange Lanzen, die in Bereitschaft auf ihren Steigbügeln ruhten, ganz als befänden sie sich auf dem Schlachtfeld in Sichtweite des Feindes. Seltsam das.
Wer mochten diese Männer sein? Handelte es sich etwa doch um die Vorhut von Odos Heerhaufen? Aber sie trugen weder Wappen auf den Schilden noch Wimpel an den Lanzenspitzen. Herrenlose Söldner also, wenn auch sehr gut gerüstet. Irgendetwas an Gestalt und Bewegungen des Anführers kam mir bekannt vor, doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, hallten von Roberts Lager schrille Schreie und Männerflüche zu uns herauf. Auch die fremden Reiter unten am Fluss wandten die Köpfe und horchten auf. Aber da die Zelte des Feindes weit über ihnen, hinter Bäumen und dem Dorfhügel, versteckt lagen, konnten sie nichts sehen.
Berta und ich liefen beunruhigt zur gegenüberliegenden Zinne des Turms. Unten im Lager erkannte ich Duran, der ein junges Weib aus seinem Zelt zerrte. Ihre bleiche Nacktheit wirkte zerbrechlich neben der massigen Gestalt des grobschlächtigen Kerls. Mein Magen krampfte sich zusammen. Es musste Rosa sein, obwohl man sie kaum erkennen konnte, denn die langen, dunklen Haare hingen ihr wirr übers Gesicht. Nach Ricard war wohl nun auch Duran ihrer überdrüssig geworden. Grinsend warteten Leon
la Vespa
und zwei andere, sie als Nächste in Empfang zu nehmen. Rosa schrie und wehrte sich, versuchte, sich aus den Pranken Durans zu befreien. Aber der schlug ihr so hart ins Gesicht, dass ihr Kopf nach hinten flog. In ihre Schreie mischte sich das Lachen der Kerle.
Berta starrte totenbleich über die Zinne. Ihre Lippen zitterten, und sie kämpfte um Beherrschung. Wo war Gustau, fragte ich mich. Saß er in den Büschen und sah ohnmächtig zu? Ich hoffte inständig, die Leiden seiner Liebsten würden ihn nicht zu einer tödlichen Dummheit hinreißen, denn so ein Anblick war genug, jeden Mann um
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