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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Aussage nach konnte er zwei der Mörderbande als Krieger aus Raimons Leibwache benennen.«
    Ich saß lange still und mochte es nicht glauben. Aber warum sollte der
escudier
gelogen haben? Dann war es also wahr. Der große Sant Gille, frommer Held und Befreier des Heiligen Grabes, war gleichzeitig Mörder des eigenen Bruders. Welch Höhen und Tiefen in der Seele eines einzigen Menschen. Mir lief es kalt den Rücken hinunter.
    »Aber zu der Zeit war Raimon schon sechs Jahre lang Graf von Tolosa gewesen«, rechnete ich nach. »Er hatte längst alles erreicht. Wozu noch dieser Mord?«
    »Das Bündnis, das Odo über die Jahre geschmiedet hatte, war kein Geheimnis geblieben. Es hätte den ganzen Süden gegen Raimon vereinigt, von Barcelona bis Aragon. Das hätte ihm gefährlich werden können. Durch Guilhems Tod war seine Herrschaft gesichert. Später konnte er deshalb ruhigen Mutes dem Ruf des Papstes folgen, um als Krieger Christi in die Geschichte einzugehen und sich selbst ein Denkmal zu setzen.«
    Jacobus konnte man eine tiefe Verbitterung anmerken.
    »Sein Tod schmerzt Euch noch immer«, sagte ich.
    »Es steht uns nicht an, Gottes Wille zu hinterfragen«, erwiderte er tonlos. »Aber schwer ist es doch, eine solche Ungerechtigkeit hinzunehmen. Euer Vater war unbekümmert, handelte oft unbedacht, aber er war ein guter Mensch. Er hatte Pläne, sein Erbe zurückzuholen, den Süden zu vereinen und mit gemeinsamen Kräften die Mauren in Spanien zurückzudrängen. Ein würdiges Vorhaben, doch es war ihm nicht vergönnt.«
    »Und Odo hat geschwiegen, obwohl er von dem Mord wusste?«
    Jacobus nickte. »Jeden Mitwisser hätte Raimon rücksichtslos vernichtet. Deshalb hat Odo den
escudier
außer Landes geschickt und sich nur darauf beschränkt, Euch zu schützen und den Tag vorzubereiten, an dem Ihr Euren Vater rächen würdet.«
    »Rache, sagt Ihr? Der Mörder ist lange tot.«
    Jacobus sah auf und nickte seufzend. »Ja, nun ist er tot. Aber dem Gericht Gottes wird er nicht entgehen. Was Odo betrifft, so war es immer sein Ziel, Euch eines Tages als Graf von Tolosa zu sehen.«
    »Warum hat er nicht früher nach mir gesandt?«
    »Das müsst Ihr ihn selbst fragen. Ich weiß es nicht.«
    »Hat mein Vater noch etwas gesagt, bevor er starb?«
    »Auch das weiß nur Odo. Euch gegenüber habe ich nun meine Pflicht erfüllt«, schloss er seinen Bericht. »Natürlich könnt Ihr weiter auf mich zählen.«
    Ich holte tief Luft. »Ich danke Euch,
Paire.
«
    »Ich kann nur hoffen, dass Gott Euch besser beschützt als Euren Vater, damit Ihr die Schurken besiegt, die Euch nach dem Leben trachten, und damit Ihr endlich Euren verdienten Platz in der Welt einnehmen könnt.«
    Schweigsam wanderten wir zurück zum Lager. Meinen verdienten Platz in der Welt? Wo,
per Deable,
war denn dieser verdiente Platz? Die Verwirrung in meinem Herzen war groß.
    ***
    Es war früher Abend geworden, und an den Küchenfeuern bereiteten sie das Abendmahl zu. Ich fütterte die Hunde. Um die Wartezeit zu verkürzen, hatte Jaume seine Laute hervorgeholt. Er sang das Lied von einem Ritter, den es auf seinem
caval
weit fort von der Heimat treibt, fort von der
domna
seines Herzens, nach deren süßen Küssen er sich angeblich sehne. Und wenn der Tag zum Sterben käme, dann solle ein Vöglein ihr berichten, dass er dem Tod mit ihrem Namen auf den Lippen begegnet sei.
    Was für ein Rührstück, dachte ich angewidert.
    Aber Verse dieser Art waren nicht nur bei Hofe beliebt, wie die andächtige Stille um den Sänger bewies. Alles lauschte der traurigen Weise, und besonders die jungen Weiber waren hingerissen. Hamid grinste, als er mich sah. Berta dagegen forschte besorgt in meinem Gesicht. Sie schien mir anzusehen, dass mich das lange Gespräch mit dem Mönch aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Ich schüttelte unmerklich den Kopf. Nach Reden war mir nicht zumute. Im Gegenteil, ich wollte eine Weile allein sein, um Herr des Sturms zu werden, den Jacobus’ Enthüllungen in meinem Herzen entfesselt hatten. Ich folgte einem schmalen Bergpfad und kletterte rasch, bis ich nach einer Weile und etwas außer Atem einen Felsvorsprung erreichte, von dem man weit ins Tal blicken konnte. Hier, wo nur Abendstille herrschte, ließ ich mich nieder.
    Wie ein verlorener Ritter in Jaumes Lied, so fühlte ich mich ebenfalls. Strandgut des Krieges. War das nicht das Bild, das ich mir von uns Veteranen gemacht hatte, an jenem Nachmittag bei den Fischern von Tripolis? Inzwischen war ich

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