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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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schüttelte den Kopf. »Odo hat das Gold später verlegt. Es befindet sich in einer Grotte, nahe der Einsiedelei.«
    Mit Erstaunen betrachtete ich diesen Mönch. So bettelarm, und doch bewachte er ein Vermögen in Gold? »Mein Gott! Odo hat an alles gedacht. Wie viel ist es?«
    »Genug, um ein kleines, aber schlagkräftiges Heer auszurüsten. Es wäre ein Anfang. Wenn es gelänge, wie damals, die alten Verbündeten auf Eure Seite zu bringen, könnte es reichen, Elvira zu vertreiben.«
    Ich schüttelte den Kopf. Alles klang so unglaublich. Ich sollte gegen die halbe Welt in den Krieg ziehen, um Fürst von Tolosa zu werden? Was für ein abwegiger Gedanke! Andererseits, war nicht auch der Normanne Guilhem nur ein Bastard gewesen und noch dazu Sohn einer Wäscherin? Und doch war er nach vielen Kämpfen Herzog geworden und später sogar König der Engländer.
    »Erklärt mir Eure Andeutung vorhin über Kain und Abel.«
    Jacobus antwortete nicht. Er saß lange da mit zusammengezogenen Brauen, die Arme über der Brust verschränkt. So lange, bis ich unruhig wurde. Was für ein weiteres Geheimnis verbarg er da vor mir?
    »Sprecht,
Paire!
Ich will alles wissen.«
    Er schien sich aufzuraffen und sah mich an, als wolle er mich auf Schweres gefasst machen.
    »Raimon Sant Gille …« Er hielt inne, wie jemand, der vor dem Sprung ins eisige Wasser noch einmal Atem schöpft.
    »Raimon Sant Gille hat Euren Vater ermordet«, sagte er dann entschlossen und mit einem grimmigen Ausdruck auf dem Gesicht.
    Für die Dauer einiger Herzschläge schien die Welt in entsetzter Starre zu verharren. Nichts rührte sich, selbst die Zikaden schienen zu verstummen.
Que Dieu m’ajut,
konnte ich nur denken. Hilf Gott! Ist der Mann verrückt geworden?
    »Was sagt Ihr da?«, flüsterte ich.
    Jacobus hielt meinen Blick und nickte grimmig.
    »Ihr habt mich gehört.«
    »Aber es heißt, er sei
Anno Domini
1094 in der Schlacht vor Osca gefallen, zusammen mit König Sancho Ramirez.«
    »So ist es, mein Sohn«, seufzte Jacobus. »Guilhem hatte Jahre in Spanien verbracht und besonders den Aragonesen Kriegshilfe geleistet. Er und Sancho Ramirez kämpften in dieser Schlacht Seite an Seite und wurden plötzlich von einem maurischen Reitertrupp abgedrängt. Euer Vater starb mit dem Schwert in der Hand.«
    »In einer Schlacht! Was redet Ihr also von Mord?«
    »Die Reiter waren in Wirklichkeit Raimons Männer. Sie sollten seinen Bruder umbringen und es wie Tod auf dem Schlachtfeld erscheinen lassen.«
    Wütend zertrat ich einen Käfer. Was, um Gottes willen, erzählte dieser Mönch? Raimon Sant Gille ein Mörder? Er, mein
dominus,
dem wir durch dick und dünn die Treue gehalten hatten, der alte
Coms
Sant Gille, der Rechtschaffene, der fromme Diener Christi, der sollte den eigenen Bruder ermordet haben? Ich sah sein weißbärtiges und von der Sonne des Ostens verbranntes Gesicht vor mir, der schmallippige, strenge Mund und das eine, ihm verbliebene, stahlgraue Auge, das oft zornig aufblitzte oder sein Gegenüber mit ungeduldig abschätzigen Blicken maß. Nein, ein einfacher Mann war er gewiss nicht gewesen, manchmal engherzig, hart gegen sich selbst und andere, nicht selten barsch oder ruppig. Aber ein von den Sarazenen gefürchteter Kriegsherr, dessen Name,
Sanjil,
von ihnen immer noch mit großem Respekt in den Mund genommen wurde. Ein harter, aber gerechter Anführer, der weder Ausschweifung noch Liederlichkeit duldete und dazu fast übertrieben fromm war. Nie hatte er sein Wort gebrochen, allen Schwierigkeiten getrotzt und uns bis nach Jerusalem geführt. Wenn dieser Mann kein Held der Christenheit war, wer dann sonst? Alles mochte er von mir aus gewesen sein, doch kein Mörder, verdammt noch mal!
    »Woher wollt Ihr das wissen?«, fragte ich schroff, als könne ich es nicht ertragen, Raimon vom Sockel stürzen zu sehen.
    »Ich weiß, es muss Euch schwerfallen zu glauben, mein Sohn, aber Guilhems Mörder waren, wie ich schon sagte, verkleidet und keine Mauren. Untereinander sprachen sie die
lengua romana,
und einer trug einen blonden Bart. Sie töteten alle, die bei Guilhem waren, auch König Sancho Ramirez fiel unter ihren Pfeilen. Dann wurden sie abgedrängt, mussten sich zurückziehen und verschwanden im Schlachtgetümmel. Guilhems Schildträger wurde bei diesem Angriff ebenfalls schwer verwundet, überlebte aber und konnte Odo, nachdem er sich von seinen Verletzungen erholt hatte, den Ring überbringen, den er dem Grafen vom Finger gezogen hatte. Seiner

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