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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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zurückgekehrt an meinen Ursprung. Aber was hatte sich geändert? Ich war immer noch ein Fremder, immer noch ein Stück Treibgut. Vielleicht mehr denn je nach diesen Enthüllungen. Gehörte ich überhaupt noch hierher?
    Ach, meine liebste, kluge Noura, fern liegst du in deinem Grab. Könnte ich doch jetzt neben dir ruhen, sechs Fuß tief in kühler Erde, um deine sanften Liebkosungen spüren. Was würdest du tun, an meiner Stelle?
    Im Tal fernab konnte ich Rocafort erkennen. Obwohl winzig von hier oben, so hoben Mauern und Turm sich dennoch, von der goldenen Abendsonne beleuchtet, hell und scharf gegen das Dunkel der Wälder ab. So hatte ich die Burg auf meinen Reisen in Erinnerung behalten, wie ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit, an das man sich halten kann, um in der Fremde nicht verlorenzugehen, ein Wegweiser der Seele, der uns daran erinnert, wer wir sind und woher wir kommen.
    Und mit einem Mal verspürte ich fast schmerzhaft, was mir dieser karge, von der Sonne beleuchtete Felsbrocken da unten bedeutete, jene enge Burg, das einsame Tal und seine Menschen. Gerade jetzt in diesem seltsamen Wirrwarr, der sich meines Lebens bemächtigt hatte, erschien mir Rocafort als der einzige feste Halt, wie ein Rettungsanker im Sturm dieser jüngsten Verwicklungen. Ihn durfte ich nicht loslassen.
    Und deshalb machte es mich rasend vor Zorn, das hässliche Grauschwarz verbrannter Felder zu sehen und die Flächen verkohlter Baumstümpfe. Zu wissen, dass sich rüde Soldaten in dieser Stunde an meinem Tisch rekelten und meinen Wein soffen, dass Ricard sich mit einer gezwungenen Bauernmagd in Bertas Bett suhlen durfte, um es mit seinen Ausdünstungen und widerlichen Körpersäften zu beschmutzen. Und dass es ihm gestattet war, meinen Sohn Ramon, halb irre vor Angst, wie ein Tier in einem Käfig zu halten. Je länger ich nachdachte, umso heftiger steigerte ich mich in eine Wut hinein. Was maßte sich Robert an, um seinen Ehrgeiz und seine Machtgelüste zu befriedigen? Ricards krankhafte Wollust, zu martern und zu quälen? Vor lauter Habgier und Missgunst, Hochmut und Maßlosigkeit wurden sie zu Bestien.
    Und nun auch noch Sant Gille! Keinen Deut besser als die Galgenvögel dort unten. Nach den unglaublichen Enthüllungen der letzten Tage war dies der Brocken, an dem ich fast zu ersticken drohte. Vielleicht, weil diese Tat meinen letzten Glauben an menschlichen Anstand ins Wanken brachte. Mein Vater ermordet durch die Hand eines Mannes, den ich geachtet und über Jahre treu gedient hatte. Gab es denn keine Ehre mehr, keine Grenze? War alles nur noch Ehrgeiz und Machthunger? Und dieser Elende lässt sich als Befreier des Grabes Christi feiern!
    Ein solcher Zorn stieg in mir empor, dass mir der Kopf zu zerspringen drohte. Am liebsten hätte ich auf sein Grab gespuckt, dort auf der Burg Mons Pelegrinus! War ich denn nur Spielball gewissenloser Halunken? Der eine mordete meinen Vater, der andere hielt das Messer an die Kehle meines Sohnes. Ich schwor, den Spieß umzudrehen und mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
    Rache war der Gedanke, der mich mit Macht überfiel und mein Herz rasen ließ. Tötet ihr einen der Meinen, töte ich zwei der Euren. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wie in alten Zeiten. Jacobus und Odo hatten recht. Warum sollte ich denn nicht um den Fürstentitel kämpfen? Schon allein um meinen Vater zu rächen und dieses Pack hinwegzufegen, das sich wie Heuschrecken an meinem Erbe fett fraß?
    Robert und Ricard würde es zuerst treffen. Elvira würde ich vertreiben und Felipa trotzen. Wer stand mir noch im Weg? Was war mit Bertran? Konnte er von der Tat seines Vaters gewusst haben oder gar selbst beteiligt gewesen sein? Nein, nicht Bertran, stöhnte ich innerlich und sah sein fröhliches Gesicht vor mir und wie er sich die Lippen nach einem guten Schluck Wein leckte. Der Gedanke, er könnte Raimons Mordgehilfe gewesen sein, schmerzte sehr. In diesem Zustand wollte ich nur noch das Schlechte sehen. Alles schien sich gegen mich verschworen zu haben. Odo, verdammt noch mal, wo bist du? Einmal brauche ich dich, und du bist nicht da, alter Mann! Am liebsten hätte ich blind gegen die ganze Welt gewütet.
    Doch was half das? Ich holte tief Luft, und dann erinnerte ich mich an Prior Dominicus vom Kloster Fontfreda. Was hatte er geraten? Alles aus meinem Herzen zu verbannen und nur die Stille in mir selbst zu suchen. Um Gott einzulassen, damit er mir sage, was zu tun sei.
    Aber es ging nicht. Ich war viel zu unruhig, zu wirr

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