Der Bastard von Tolosa / Roman
wollte Raimon ihm in nichts nachstehen. Und sein Ehrgeiz half ihm oft, sich schon als Knabe durchzusetzen.«
Bertran hatte mir über unsere Väter erzählt, dass sie schon in der Jugend Helden sein wollten, einer besser als der andere. Nachdem Guilhem sich später einen Namen im Kampf gegen die spanischen Mauren gemacht hatte, musste Raimon ihn übertrumpfen. Da durfte nichts Geringeres als die Eroberung Jerusalems herhalten. So jedenfalls legte Bertran die Beweggründe seines Vaters aus, ins Heilige Land zu ziehen. Und Schuld daran habe nur die Mutter gehabt, hatte er lachend behauptet, die schöne Hexe Almodis, die zu ihren Lebzeiten allen Männern den Kopf verdreht hatte. Sie habe die beiden angestachelt, ihrem Großvater nachzueifern, Guilhem
Talha Fer,
dem Eisenspalter, um nicht wie ihr schwacher Ehemann Pons zu werden, dem sie später auf solch grandiose Weise die Hörner aufgesetzt hatte.
»Raimon hat sich auch später durchgesetzt.«
»So ist es. Euer Vater war dem Bruder nicht gewachsen, obschon er immer der Strahlendere von beiden war. Er hatte Anmut. Ihm flogen die Herzen zu. Er war großzügig, mutig, ein blonder Löwe. Kein Wunder, dass sich Anhes in ihn verliebt hat. Aber er hatte weder Raimons Bauernschläue noch dessen Zielstrebigkeit oder Rücksichtslosigkeit.«
»Was ist geschehen?«
»Was geschehen musste. Die Spiele der Jugend können im Mannesalter leicht in blutigen Ernst umschlagen. Über Jahre arbeitete Raimon darauf hin, Guilhems Macht zurückzudrängen. Er tat es heimlich und besonnen, mit jeder kleinen Grafschaft und jedem Bistum, das er an sich band, wurde er stärker. Guilhem dagegen vergeudete sein Erbe, seine Zeit und seine Fähigkeiten. Oft genug hatte Odo ihn gewarnt, aber er nahm solche Dinge nicht ernst, hatte Odo verlacht, er sei wie ein altes Weib, das sich ständig sorge. Und dann war er wie gewöhnlich auf die Jagd geritten oder hatte sich um seine Greifvögel gekümmert. Er liebte die Falknerei über alles wie auch seine Kameraden, seine Pferde und das Kampfgetümmel. Er war der Graf von Tolosa und fühlte sich unverwundbar.«
»Ich hätte ihn gern gekannt.«
Jacobus lächelte. »Aber das habt Ihr doch, Jaufré!«
»Nicht, dass ich wüsste!«, erwiderte ich erstaunt.
»Mehrmals hat er Rocafort besucht, um nach seinem Sohn zu sehen, wobei er sich als reisender Söldnerführer ausgab, um unerkannt zu bleiben. Nicht einmal seine Begleiter wussten, was es mit dem Jungen und der Burg auf sich hatte, auf der sie übernachteten.«
Konnte das wahr sein? Ich forschte in meinen Erinnerungen. Ein blonder Hüne? Ja, ich erinnerte mich schwach. So einer hatte mich auf seinen Schoß gehoben und viel gelacht. Sein Schwert hatte ich halten dürfen.
»Das war mein Vater?«
»Das war Euer Vater!«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Ich fand es immer noch schwer, mich an meine neue Abstammung zu gewöhnen.
»Und Anhes? Was hat meine Mutter ihm bedeutet?«
Jacobus holte tief Luft und seufzte. »Ich will ehrlich sein. Zuerst war es sicher nur der Reiz, dem Bruder die Frau zu stehlen. Auch dies nur ein Spiel, aus dem aber später bitterer Ernst wurde, denn es dauerte nicht lange, und er konnte an nichts anderes mehr denken als an Anhes.«
»Warum hat er dann drei Jahre später Emma de Conteville geheiratet?«
»Papst Gregor wollte die Kirche erneuern, den Einfluss der Fürsten zurückdrängen. Odo hat dies heimlich genutzt, einen Kirchenbann gegen Raimon zu erwirken, um ihn zu zwingen, die Ehe mit Anhes aufzulösen. Doch der weigerte sich. Erst als dieser Versuch gescheitert war, willigte Guilhem ein, Emma zu heiraten. Man bedrängte ihn von allen Seiten, endlich einen Erben zu zeugen.«
»Anhes starb an gebrochenem Herzen, und Emma gebar Felipa.«
Jacobus nickte. »Eine sehr betrübliche Geschichte«, sagte er. »Gott schien nicht auf Guilhems Seite zu sein. Der ersehnte Sohn blieb aus, und den Verlust Eurer Mutter konnte er nur schwer verwinden. Er glaubte nun, es sei ein Fehler gewesen, Emma zu ehelichen. Hatte der Papst die unglückliche Ehe zwischen Raimon und Anhes nicht verdammt? Er war überzeugt, Anhes allein sei sein gottgewolltes Weib gewesen, denn nur durch sie habe der Herr ihm einen Sohn geschenkt. Daraus folgte, dass es nur einen Erben geben könne, seinen Sohn Guilhem, der einmal als Fünfter dieses Namens über Tolosa herrschen sollte.«
»Guilhem?«
»Euer Taufname,
Castelan.
« Jacobus lachte herzlich über mein verdutztes Gesicht. »Nach Guilhem
Talha
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