Der Bastard von Tolosa / Roman
verstummten erwartungsvoll. »Es erzählt von Jaufrés Liebe zu Berta.«
Die Weiber um den Tisch herum ergingen sich in Ahs und Ohs. Die Männer schmunzelten und hoben ihre Becher, um Berta zuzutrinken, was sie mit Erröten und einem huldvollen Kopfnicken erwiderte, ganz als sei sie eine hohe Dame am Hofe eines Fürsten. Ich wurde selbst etwas verlegen, aber zumindest hatte der Bursche die Klugheit besessen, nicht von seiner eigenen Liebe zu singen.
Das zweite Lied war in der Tat etwas ganz anderes.
Es hatte eine sanfte, einschmeichelnde Melodie, die Verse waren voll schöner Bilder und Vergleiche, und Jaumes Stimme ging zu Herzen. Bertas Hand fand die meine unter der Tafel, und so saßen wir mit glühenden Wangen und hörten ihm zu.
An eine Strophe erinnere ich mich besonders.
La nostr’amor vai enaissi
com la brancha de l’albespi
qu’esta sobre l’arbre en treman
la noit a la ploia ez al gel
tro l’endeman que-l sols s’espan
per las folhas vertz el ramel.
So ist unsere Liebe,
die wie ein Weißdornzweiglein
nächtens auf dem Busch
in Eis und Regen zittert,
bis am Morgen sich die Sonne
übers Grün der Blätter breitet.
Als Jaume endete, seufzten nicht nur die Frauen.
Und dann jubelten alle und beglückwünschten den begnadeten Poeten. Auch diesmal musste er das Lied mehrfach wiederholen, und zum Schluss sangen die meisten mit. Am Ende empfahl sich Jaume, verbeugte sich vor allen und küsste Bertas Hand zum Abschied. Ich begleitete ihn in den Burghof, um zusammen mit seinen Kameraden von ihm Abschied zu nehmen.
»Ein schönes Lied«, sagte ich mehr als zufrieden. »Es hat alle meine Erwartungen übertroffen.«
»Gut! Dann bin ich glücklich,
Castelan.
«
»Willst du deine Meinung nicht ändern? Bleib hier bei uns, so wie Brun!«
»Ich danke für alles,
Castelan
«, sagte er, »aber nun zieht es mich fort.« Seine Zähne blitzten, als er mich angrinste. »Es gibt noch manche Burg und manche
donzela
zu erobern,
Senher.
Da will ich nicht fehlen.«
Er umarmte Brun, seinen Freund, zum Abschied und schüttelte den anderen Wachmännern die Hand. Dann schwang er sich die Laute auf den Rücken, stieg in den Sattel, winkte uns allen noch einmal zu und ritt zum Burgtor hinaus. Als ich mich umwandte, um wieder die Treppe zur
aula
zu erklimmen, merkte ich, wie manches weibliche Gesicht von den Fenstern weghuschte. Da musste ich lachen. Jaume, der Poet und Verführer. Er würde uns fehlen.
Das Fest ging weiter bis spät in den Abend.
»Ein prachtvolles Weib, deine Berta«, raunte Alfons mir irgendwann betrunken zu. »Wie konntest du so eine Frau zurücklassen und in den Krieg ziehen?«
»Das weiß nur der Teufel,
mon velh
«, antwortete ich. »Er muss mich mit Verwirrung und Blindheit geschlagen haben.«
»Jaufré«, lallte Alfons und hob ernst den Finger. »Ein Kerl muss wissen, wo er hingehört, hörst du?«
»Ein wahres Wort, Bruder!«, krähte Guilhem und hob den Becher. »Kommt her, ihr Höllenhunde!«, schrie er und meinte uns
veterani,
Hamid, Alfons, Severin und mich. Seinen freien Arm legte er um Hamids Schultern. Dabei stand er unsicher auf den Beinen, und ein wenig Wein schwappte aus seinem Becher. »Es ist, wie Alfons sagt, ein Kerl soll wissen, wo er hingehört. Das gefällt mir. Dem Tod haben wir ein Schnippchen geschlagen, und nun sind wir wieder in der Heimat. Darauf lasst uns trinken, Freunde.« Er hob den Becher. »Auf uns und unsere Damen!«
Er versuchte eine Verbeugung in Richtung Joana, verlor dabei das Gleichgewicht, schwankte und fiel auf den Hintern.
Alles lachte. Joana schimpfte, was das nur für ein Kerl sei, der seinen Wein nicht im Griff habe, woraufhin noch mehr gelacht wurde, denn es war niemandem entgangen, dass Guilhem begonnen hatte, ihr nachzustellen.
»Lasst mich liegen«, stöhnte Guilhem, als wir ihm auf die Füße helfen wollten. »Mir geht es gut.« Und prompt schlief er ein.
***
»Du bist betrunken!«, klagte Berta.
»Ich weiß, mein Schatz«, antwortete ich und versuchte, meine Stiefel auszuziehen. Aber es gelang mir nicht. Stattdessen ließ ich mich rücklings auf das Bett fallen und stöhnte. Berta kniete auf dem Boden, schnürte meine Stiefel auf und schaffte es, sie mir abzustreifen. Auch meine Tunika knüpfte sie auf und zog sie mir über den Kopf. Aus der
aula
nebenan, wo die Mägde Alfons und seinem Weib ein Bett bereitet hatten, tönte leises Schnarchen.
»Nun hilf schon mit, du Faulpelz!«, schimpfte Berta und zerrte an meinen Kleidern
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