Der Bastard von Tolosa / Roman
hatte.
»Wohin?«, fragte ich erstaunt.
»Nach Outremer!«
»Nein!«, schrie Berta, als habe man sie ins Herz getroffen. »Nicht das!«
Es musste sie wie eine schreckliche Wiederholung anmuten. Sie beschwor ihn, bei uns zu bleiben. Aber es half nichts. Stundenlang redeten wir auf ihn ein. Er war nicht zu bewegen, sein Vorhaben zu ändern. Er sei nur gekommen, damit ich ihm, als Teil seines Erbes, genügend Gold für die Reise gab. Deshalb habe er mich sprechen wollen, und sein Verlangen sei nur recht und billig.
Damit hatte er gewiss nicht unrecht. Was hätte ich tun sollen, ihn einsperren? Ihm meine Hilfe verweigern? Er hätte uns ohnehin verlassen, und ohne Geld wäre es ihm schlecht ergangen. Drei Tage lang redeten Berta und ich über nichts anderes.
»Er ist genauso halsstarrig wie du«, schluchzte sie.
»Irgendwann werden die jungen Vögel flügge«, sagte ich lahm.
»Er ist viel zu jung, und das weißt du.«
»Aber in der Ferne ist er sicherer als hier. Fürs Erste zumindest.«
»Du glaubst, Robert wird es noch einmal versuchen?«
»Nein. Aber wenn er redet, könnten andere kommen. Ich hätte Robert töten sollen, als ich die Gelegenheit hatte.« Es war meine Sorge, dass noch Mächtigere uns verfolgen könnten.
»Ich bin froh, Jaufré, dass du es nicht getan hast.«
»Bertran kann Raol aufnehmen und sich um ihn kümmern.«
»Aber Outremer,
mon Dieu!
Dort wird er umkommen.«
»Derzeit herrscht in Tripolis kein Krieg. Die Erfahrung tut dem Jungen vielleicht gut, und in ein paar Jahren kommt er wieder.«
Am Ende war sie einverstanden, und ich diktierte
Paire
Jacobus einen Brief für meinen Halbbruder Bertran, in dem ich ihm berichtete, dass Borcelencs keine Gefahr mehr bedeutete, und ihn bat, meinen Sohn unter seine Obhut zu nehmen. Dann noch eine Nachricht an den Juden Ephraim in Narbona. Er sollte Raol mit Geld ausstatten und einen Platz auf einem Schiff nach Tripolis für ihn finden.
So kam es, dass Raol uns mit dem Versprechen verließ, in wenigen Jahren heimzukehren. Berta weinte, als er davonzog. Aber sie wusste auch, dass sie ihre Söhne nicht ewig an sich binden konnte. Aus wenigen Jahren wurden dann viele, und leider wartete ich noch heute vergeblich auf seine Heimkehr. Kein Wunder, dass sich die Tage mehren, an denen ich die Hoffnung aufgegeben habe.
***
Als Letztes will ich noch von jenem
canso
d’amor
berichten, welches ich bei Jaume in Auftrag gegeben hatte.
Mehrfach hatte ich ihn daran erinnern müssen, und jedes Mal war ich vertröstet worden. Er sei noch nicht so weit, die Sache ließe sich nicht erzwingen und derlei Ausreden mehr. Schließlich wurde ich ungeduldig, und Jaume, der dies bemerkte, ging mir aus dem Weg. Also fragte ich Brun, woran es denn liegen könnte, dass es so lange dauere, und er versprach, unaufdringlich und im Vertrauen Erkundigungen bei Jaume einzuholen.
»Jaume ist verliebt«, berichtete er schmunzelnd ein paar Tage später, als sei dies eine Erklärung für diesen Mangel an Erfindungsgabe.
Ich zuckte mit den Schultern. »Na und? Das ist er doch dauernd. Das wird ihn doch nicht hindern, ein paar Verse zu schmieden«, sagte ich. »Wer ist denn diesmal die Glückliche?« Brun wurde sichtlich verlegen, konnte sich aber dennoch ein Lachen nicht verkneifen. »Nun sag schon!«, brummte ich. »In wen hat er sich verguckt?«
Er versuchte, ernst zu bleiben, aber die Heiterkeit überwältigte ihn von neuem. »Verzeiht,
Castelan
«, sagte er, als er sich endlich beruhigt hatte. »Der Narr hat sich in die
domina
verliebt.«
»In Berta?«, rief ich entgeistert.
Brun nickte und brach erneut in Gelächter aus.
»Er hofft doch wohl nicht auf Erwiderung«, fragte ich halb in Sorge.
»Nein, Herr! So vermessen ist er nicht. Aber er fürchtet Euren Zorn, sollte er jemals seine Verse vortragen.«
»Warum, um Himmels willen?«
»Nun«, Brun wand sich sichtlich. »Sie könnten zu persönlich auf Euch wirken.«
»Wie persönlich meinst du denn?«
»Nun ja. Gefühlvoll eben. Innig.«
»Das hatte ich doch bestellt, verdammt«, knurrte ich. »Ein Liebeslied, das nicht gefühlvoll ist, ist doch kein Liebeslied!«
Brun hob die Schultern und seufzte. »Ihr werdet ihm also nicht zürnen?«, fragte er.
»
Deable,
nein! Ich will nur endlich dieses verdammte Lied«, erwiderte ich. »Sag ihm das!«
Es vergingen noch ein paar Tage, und in dieser Zeit ertappte ich mich dabei, dass ich Jaume bei Tisch verstohlen beobachtete, wenn er sich bequemte, an unseren Mahlzeiten
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