Der Bastard von Tolosa / Roman
Plünderspur.«
Ich konnte nicht mehr denken, sondern starrte nur auf Nouras Leichnam. Vielleicht hatte sie einen der Angreifer verwundet, denn es klebte dunkles Blut am Schwert. Im Handgemenge musste ihr dann jemand die tödliche Wunde zugefügt haben. Zumindest war ihr das Schicksal der Magd erspart geblieben. Hätte man auch ihr Gewalt angetan … Ich wagte diesen Gedanken nicht zu Ende zu denken.
Schon wieder das ekelhafte Summen der Fliegen um ihren Körper. Ich hob sie auf und trug sie behutsam ins Haus. Sie war nicht schwer. Ihr Kopf baumelte zurück, und die verkrustete Wunde auf ihrer Brust ließ mich schaudern. Es war, als spürte ich diese Wunde im eigenen Fleisch. Die Vorstellung von kaltem Stahl, der jäh in ihren Leib gedrungen war, bereitete mir Übelkeit, und bei dem Gedanken begann ich, heftig am ganzen Körper zu zittern. Ich stolperte, fast wäre ich auf der Schwelle zur Kammer zusammengebrochen. Aber es gelang mir, sie auf unser Bett zu legen, dem Lager, auf dem wir uns so viele Male geliebt hatten. Ich schloss ihre Augen und kreuzte ihr die Hände über der Brust, um die hässliche Wunde zu bedecken. Dann konnte ich mich nicht mehr beherrschen und begann zu schluchzen. Ich beugte mich vor und weinte in ihr Haar.
Hamid legte mir seine Hand auf den Rücken und schüttelte mich sanft. »Komm, Jaufré, lass uns deine Tochter suchen. Vielleicht hat sie sich in den Weingärten versteckt oder ist noch weiter fortgelaufen.«
Er hatte recht. Das war die einzige Hoffnung, die uns noch blieb. Ich holte tief Luft und trat zusammen mit Hamid vor die Tür.
Die Toten lagen, hastig in Leintücher gehüllt, in einer Reihe im tiefen Schatten unter einer Platane. Die Blutlachen im Hof hatten die Männer mit frischer Erde bedeckt. Die Pferde standen am Trog oder mit einem Hafersack um den Hals geschlungen, aus dem sie fraßen. Es sah friedvoll aus, und doch hatte sich hier erst vor wenigen Stunden ein schreckliches Schauspiel abgespielt. Eines, das ich schon oft genug erlebt hatte, dessen Schrecken mir jedoch im Augenblick, da es mich selbst betraf, schier die Seele zerreißen wollte.
Die Seldschuken mussten ohne Warnung in den Hof galoppiert sein und schon im ersten Ansturm mühelos meine Knechte ermordet haben. Ich sah im Geiste, wie die Frauen schreiend um ihr Leben gerannt waren. Wie Noura, vor Angst halb von Sinnen, aber todesmutig und mit meinem für sie viel zu schweren Schwert in der Hand, aus dem Haus gestürzt war, um Heim und Kind zu verteidigen. Vielleicht hatte sie den Kerl überrascht, der gerade die Köchin abgeschlachtet hatte, und ihn verletzt. Daraufhin hatte der Mann sich vor Schmerz schreiend umgedreht und ihr sein Krummschwert unter die Rippen gestoßen. Und dann war Noura lautlos zusammengebrochen. Bei der Vorstellung wurde mir übel, und mein Mageninhalt schoss mir plötzlich heiß und bitter aus dem Mund. Ich kotzte an die Hauswand und würgte, bis nichts mehr kam. Dann wischte ich mir den Mund am Ärmel ab und versuchte, langsam und ruhig durchzuatmen.
»Was haben sie mit Aisha, der Magd, angestellt?«, fragte ich schwach.
»Was willst du dich damit quälen?« Hamid mied meine Augen.
»Ich will es wissen, verdammt!«, fuhr ich ihn an.
Er blickte an mir vorbei, und seine Stimme war leise und tonlos. »Die Kerle haben sie der Reihe nach vergewaltigt. Ihr nackter Körper ist mit Blut und Samen beschmiert. Dann haben sie andere Spiele getrieben. Die Augen sind ausgestochen, und man hat ihre Brüste abgeschnitten. Und zuletzt wurde ihr ein langer, spitzer Pflock durch den Schoß in den Unterleib getrieben. Daran muss sie dann verendet sein.«
Gott im Himmel! Ich bekreuzigte mich unwillkürlich.
Und Adela, mein Kind? Wo war sie gewesen, während all dies geschah? Hatte sie fliehen können, oder hatte man sie aufgegriffen, auf ein Pferd gebunden und verschleppt?
Erst da sah ich Alexis. Er saß wie leblos an den Brunnen gelehnt und starrte vor sich hin. Seine Schultern hingen kraftlos herab, und Tränen hatten Spuren durch sein verschmutztes Gesicht gewaschen. Alexis und Aisha hatten heiraten wollen, und Noura hatte sich gefreut und gescherzt, sie würde bald eine Patin für das erste Kind werden.
»Hat er sie so gesehen?« Ich deutete auf Alexis.
»Es ließ sich nicht vermeiden.«
Mit finsterer Miene schritt ich zu Guilhem, der mich ratlos und mit traurigen Augen ansah.
»Jaufré …«, begann er.
Ich unterbrach ihn schroff. »Stell ein paar Wachen auf. Dann rücken wir aus. Ich
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