Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
Torflügel scharrte auf dem unebenen Boden, während ein kräftiger Bauer sich von innen dagegenstemmte.
    Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, doch bestimmt nicht den freudigen Schreck, als Adela sich mit einem Schrei durch den sich weitenden Spalt im Tor hindurchzwängte und wie ein Pfeil auf mich zugeschossen kam.
    »Vater, Vater!«, schrie sie und stürzte sich wild schluchzend in meine Arme. Ich ging in die Knie und presste sie an mich. Herrgott, ich danke Dir! Ihr schmaler Körper zitterte, als sie sich an mich klammerte. Ich küsste ihr tränennasses Gesicht und flüsterte: »Du lebst,
mon cor.
Du lebst.«
    Erst in diesem Augenblick, als ich sie unversehrt in den Armen hielt, wurde mir bewusst, dass ich sie insgeheim schon tot wie ihre Mutter gesehen hatte oder gar gemartert und geschändet. Ich empfand eine unbeschreibliche Erleichterung, als dieses Gewicht von mir fiel, und gleichzeitig blutete mein Herz von dem, was ich ihr nun sagen musste. Sie zappelte in meiner Umarmung und machte sich los.
    »Und Mama? Was ist mit ihr?«
    Ich schüttelte nur stumm den Kopf.
    »Ist sie tot?«
    Sie hielt still, nur ihre Unterlippe zitterte heftig. Dann quollen neue Tränen hervor und rannen die Wange hinunter. Sie barg ihr Gesicht in den Händen und schluchzte.
    »Oh, Mama, meine Mama.«
    Ich schloss mein Kind erneut in die Arme und versuchte, sie zu beruhigen. Aber sie schrie: »Es ist nicht meine Schuld, Papa. Ich wollte Hilfe holen. Ich habe alles versucht, aber sie wollten nicht helfen, Papa. Ich habe sie angeschrien, aber sie wollten nicht helfen.«
    Sie schluchzte und zitterte am ganzen Leib.
    »Ruhig, Kind. Was redest du? Dich trifft doch keine Schuld.«
    Wenn einer Schuld hatte, dann war ich es. Diese Erkenntnis traf mich wie ein heißer Stahl ins Herz.
    Ich, der gelobt hatte, Noura immer zu beschützen, hatte schmählich gefehlt. Ohne besondere Sicherheit hatte ich sie auf dem Gut gelassen. Und nach der Schlacht gegen die Seldschuken hätte ich wissen müssen, welche Gefahr von versprengten Kriegern droht. Ich war zu spät gekommen.
    »Adela. Es ist der Krieg.«
    Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände und strich ihr die verschwitzten Haare aus der Stirn. Sie beruhigte sich etwas.
    Aniketos und andere Dorfbewohner waren inzwischen vor das Tor getreten. Auch der Priester war dabei. Eine ältere Frau, ganz in ein schwarzes Gewand gehüllt, sie war wohl das Weib von Aniketos, trat zu Adela und legte ihr eine Wolldecke um die dünnen Schultern, damit sie nicht fror. Adela ließ es geschehen und lächelte flüchtig. Sie brachten auch ihre Stute, mit der sie geflohen war, und ich half ihr in den Sattel. Ich wollte endlich wissen, was geschehen war, und befragte Adela und Aniketos. Trotz des griechischen Namens des Dorfältesten sprachen die Leute noch die alte aramäische Sprache. Und sie verstanden auch genügend Arabisch, so dass Hamid keine Schwierigkeit hatte, zu übersetzen.
    Adela war auf einem Ausritt in den Feldern gewesen und unweit des Hauses vom Pferd gestiegen, um Blumen für ihre Mutter zu pflücken. Schreie und Waffengeklirr hatten sie plötzlich aufgeschreckt. Sie war zum Haus gerannt, hatte sich jedoch angsterfüllt hinter einem Busch versteckt, als sie fremde Soldaten erkannte und unsere Knechte tot am Boden hatte liegen sehen. In panischer Angst war sie davongeschlichen und hatte ihre Stute leise mitgeführt, um nicht durch Hufgeräusche entdeckt zu werden.
    Weit genug vom Haus entfernt, war sie in den Sattel geklettert und im scharfen Galopp zum Dorf geritten, um Hilfe zu holen. Dort hatte man die Reiter schon von weitem entdeckt gehabt, Vieh und Männer vom Feld gerufen und sich in Eile mit Heugabeln, Spießen und Sicheln bewaffnet. Sie waren gerade dabei, das Tor zu schließen, als Adela um Hilfe schreiend ins Dorf geritten war. Aber wie konnten die Bauern das Gut retten? Nur hier, hinter ihren Mauern hatten sie Aussicht, den Reitern zu widerstehen.
    Anscheinend hatte Adela daraufhin wieder zurück zu ihrer Mutter gewollt, doch die Bauern hatten sie festgehalten und nicht mehr gehen lassen.
    Später waren die Türken vor dem Dorf aufgetaucht und hatten die Dörfler in Angst und Schrecken versetzt. Ein paar Pfeile waren über die Mauer geflogen, dann waren die Reiter unverrichteter Dinge nach Süden abgezogen. Seltsamerweise hatten sie auch mein Haus nicht niedergebrannt. Dies konnte ich mir nur damit erklären, dass sie in großer Eile gewesen waren. Fürchteten sie eine Verfolgung durch unseren

Weitere Kostenlose Bücher