Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
Schritte weitergerollt, und die blinden Augen starrten uns vorwurfsvoll an. Die einzigen Laute kamen von den Zikaden auf den Feldern und im Hof vom lauten Brummen der Schmeißfliegen, die die toten Leiber umkreisten. Wir starrten regungslos auf die Leichen.
    Dann fiel ich aus dem Sattel und stolperte mit vor Entsetzen gelähmten Schritten in den Hof, gefolgt von meinen Männern, die ihre Schwerter gezogen hatten.
    Dort lag der schwere Leichnam unserer Küchenmagd. Sie hatten ihr das Gewand heruntergerissen, und die blutigen Fetzen umrahmten das weiße Fleisch ihres üppigen Leibes. Ich wollte nicht hinsehen, was sie mit ihr angestellt hatten.
    »Noura!«, schrie ich außer mir und blickte wirr suchend umher.
    Sie lag auf dem Rücken vor der Treppe zum Haus und starrte mit blinden Augen in den unschuldig blauen Himmel. Sie trug einen angespannten Gesichtsausdruck auf den bleichen Zügen. Die rechte Hand hielt den Knauf meines alten Schwerts umklammert. Das Schwert meines Vaters, das ich im Haus aufbewahrte. Sie musste in der Not versucht haben, sich zu verteidigen. Mit Schrecken sah ich den riesigen geronnenen Blutfleck auf der Vorderseite ihres weißen Gewandes.
    »Nein!« Mein eigener Schrei gellte mir in den Ohren.
    Ich stürzte neben ihr auf die Knie und riss ihren zierlichen Körper an meine Brust. Tränen schossen mir in die Augen, und ich nahm nichts mehr wahr außer ihrer kalten Wange auf meinem Gesicht. Ich wiegte sie in meinen Armen und flüsterte ihren Namen. Es durfte nicht wahr sein. O Gott! O Du verfluchter Gott! Was hast Du zugelassen? Nicht uns sollte dies geschehen, nicht uns!
    Mein Geist war benebelt, und ich nahm alles nur undeutlich und wie aus großer Entfernung wahr. Hinter mir die aufgeregten Stimmen der Männer, dann hörte ich jemanden schreien: »Wo ist Adela? Alle Mann! Sucht das Kind!« Wer hatte das gerufen? Hamid. Ja, es war Hamid. Schreit nicht, verdammt! Lasst uns in Ruhe! Ich küsste Noura auf die blutleeren Lippen und presste ihren leblosen Leib enger an mich. Ich wollte nichts hören oder sehen außer Noura, so als könnte meine Umarmung sie wieder zum Leben erwecken. Geht weg! Was stört ihr uns? Schließlich drängte sich etwas in mein Bewusstsein. Adela! Mein Kind! Zum Grauen über Nouras Schicksal gesellte sich nun die Furcht um mein Kind. Thor und Odin jaulten hinter dem Haus. Sie hatten die Hunde zum Suchen mitgenommen. Es fiel mir unendlich schwer, mich von Noura loszureißen, aber ich legte sie sanft zurück auf die Erde und erhob mich ächzend. Dann stürmte ich ins Haus und lief durch alle Räume, das Schlimmste befürchtend. Die Kammern waren verwüstet. Die Plünderer hatten ein heilloses Durcheinander hinterlassen. Ich schrie Adelas Namen und durchsuchte verzweifelt alle Winkel des Hauses. Sie war nirgends zu finden. Und als ich wieder vor die Tür trat, stand Hamid mit hängenden Schultern vor mir und schüttelte den Kopf.
    »Sie ist verschwunden.«
    »Vielleicht hat sie sich im Stall versteckt«, rief ich und wollte gleich selbst suchen, doch Hamid hielt mich am Arm fest.
    »Das musst du nicht sehen, Jaufré«, murmelte er leise.
    »Was ist? Ist Adela im Stall?«, rief ich in erneuter Panik. »Was haben sie ihr angetan?«
    »Es ist die junge Magd Aisha. Sie ist übel zugerichtet worden.«
    Ich sank auf die Stufen und legte die Hände vors Gesicht. Konnte ich noch mehr ertragen? Erst Noura und nun meine Tochter? Gott gebe, dass sie ihr nicht Gewalt angetan hatten. Sie ist doch nur ein Kind. Ich bitte Dich, Gott, lass mich mein Kind nicht so finden.
    Nachdem ich mich etwas gefasst hatte, sah ich zu Hamid auf.
    »Vielleicht wurde sie als Geisel verschleppt.«
    »Möglich.« Er schien nicht überzeugt.
    Ich griff nach neuen Strohhalmen der Hoffnung. »Oder sie ist weggelaufen. Was ist mit ihrem Pferd? Ist es noch im Stall?«
    »Alle Pferde des Guts sind weg.«
    Ich sprang auf. Ich wusste nicht, was stärker in mir war, Verzweiflung, Angst oder Wut. Ich musste etwas unternehmen.
    »Wir verfolgen die Schweine.«
    »Die sind schon drei oder vier Stunden fort. Es ist zwecklos. Spuren werden wir auf den steinigen Wegen kaum finden. Wir kennen nicht ihre Richtung. Die Pferde sind erschöpft und nicht imstande, eine Verfolgung aufzunehmen.«
    Ich ließ die Schultern hängen.
    »Morgen können wir es versuchen.« Hamid legte mir die Hand auf die Schulter. »Wir schicken Kundschafter aus und befragen die Bauern. Sie werden sicher ihren Beutezug fortsetzen, und wir folgen der

Weitere Kostenlose Bücher