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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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weiterreiten. Jemand hatte Kyriacos ins Gesicht geschlagen, und ein blutiges Rinnsal lief ihm aus der Nase. Er hielt die Augen geschlossen, und seine Brust hob und senkte sich unter großem Schluchzen. Auf seinem tränennassen Gesicht lag eine Miene von Trotz und Trostlosigkeit zugleich.
    »Er fürchtet die Folter«, sagte ich zu Hamid.
    Um die Einzelheiten der Verschwörung herauszupressen, würde man den Griechen in Tripolis gehörig in die Zange nehmen. Kyriacos wusste das. Schließlich taten die Seldschuken nichts anderes, wenn ihnen unsere Kundschafter in die Hände fielen. Blenden, Fingernägel ausreißen und Gelenke zertrümmern und am Ende pfählen oder lebendig in Wasserkesseln kochen, bis das Fleisch von den schreienden Opfern fällt.
    »So nimmt das Blutvergießen kein Ende«, murmelte Hamid angewidert.
    »
Certas.
Aber wie sollen wir uns hier behaupten, wenn nicht durch Gewalt?« Wenn angegriffen, schlugen wir zurück, unternahmen Überfälle und brannten feindliche Dörfer nieder. Bis sich der Feind auch dafür rächte. Ein Teufelskreis ohne Ende. »Er muss öffentlich hingerichtet werden. Verrat kann nicht ungesühnt bleiben. Aber ich will sehen, dass unnötige Grausamkeiten vermieden werden.«
    Noura sah die Dinge nicht wie ich. Ich entsann mich unseres letzten Streits. Das Gerede vom Heiligen Krieg sei doch lachhaft, hatte sie gewütet. Alles diene nur der Gier der Mächtigen, sich zu bereichern. Was sei ein Balduin denn schon vorher gewesen? Ein armer Abenteurer, der es durch glückliche Umstände zum König von Jerusalem gebracht hatte. Die anderen Christenfürsten seien nicht besser. Und jetzt versuche auch noch Bertran, in Outremer sein Glück zu machen, denn im heimatlichen Tolosa war er nicht mehr erwünscht.
    Bei solchen Gesprächen verlor sie ihre sonst so ausgeglichene Art, das Blut stieg ihr ins Gesicht, und sie wanderte zornig auf und ab. Und wenn schon, so lautete mein Einwand für gewöhnlich, denn für die Befreiung Jerusalems hatten wir gekämpft und gelitten. Als Belohnung auf Erden hatte Gott uns dieses Land geschenkt. War das verwerflich? Und wie sollten wir die heiligen Stätten schützen und die vielen Pilger, wenn wir nicht unsere Macht stärkten? Doch nie hatte ich sie überzeugen können.
    Hamid räusperte sich. »Jahrelang hat Kyriacos uns treu gedient. Auf was hat sich der dumme Kerl da nur eingelassen?«
    »Gold hat ihm den Kopf verdreht.«
    »Da steckt mehr dahinter, als es den Anschein hat.«
    Plötzlich bemerkte ich dünne Rauchschwaden in der Ferne, und als wir bald darauf über einen Hügel ritten, lag vor uns ein Dorf, das erst vor kurzer Zeit verwüstet worden war. Ich schickte Kundschafter vor, ließ Männer an den Flanken ausschwärmen, dann folgten wir vorsichtig. Als wir uns näherten, schien das Dorf ebenso menschenleer wie jenes in den Bergen. Ein ungutes Gefühl packte mich.
    Einige Hütten waren abgebrannt, andere ausgeplündert, wie man am achtlos verstreuten Hausrat erkennen konnte. Wir fanden die zerhackten Leichen alter Leute, die zwischen den Hütten lagen. Hastig ausgeweidete Kadaver von Schafen und Ziegen, aber Bewohner waren nicht zu sehen und als einzig Lebende ein paar Hühner, die verwirrt im Staub pickten. Das Dorf kam uns unheimlich vor. Was war hier geschehen?
    In den Weingärten hinter dem Dorf fanden die Hunde einen Alten, den die Männer auf den Dorfplatz zerrten, ein abgemagerter, alter Bauer in vor Schmutz starrendem Kaftan, um den Kopf einen Fetzen Stoff gewickelt. Der Mann sank auf die Knie, und Tränen liefen ihm in den grauen Bart. Seine Arme hoben sich in flehender Geste, und er zitterte am ganzen Leib.
    Hamid sprang vom Pferd, und nachdem er ihn auf Aramäisch ansprach, gelang es ihm, den Alten zu beruhigen. Der begann, mit vielen Gebärden zu reden.
    »Was sagt er?«, verlangte ich zu wissen.
    »Reiter haben das Dorf heute Morgen überfallen«, erwiderte Hamid mit sorgenvoller Miene. »Die paar Alten waren wohl zu schwach, rechtzeitig in die Hügel zu fliehen. Ihn aber haben sie nicht gefunden.«
    »Seldschuken?«, fragte Bertran, der zu uns getreten war.
    »Er sagt, sie trugen Turbane und Bögen. Kamen von Osten aus den Bergen wie wir und hatten Verwundete dabei.«
    »Versprengte Truppen von gestern«, sagte ich.
    »Aber immer noch gefährlich. Die Alten hier wurden gefoltert, um Geldverstecke zu verraten. Mehr als ein paar Kupfermünzen wird es nicht gebracht haben. Darüber waren sie aufgebracht. Er sagt, sie haben geschrien und

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