Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
so müde, dass es mir verlockend schien, mich neben Noura zu legen und einfach mit dem Atmen aufzuhören.
    Später, bei flackerndem Kerzenlicht sah ich den Frauen zu, wie sie Nouras blutiges Gewand aufschnitten und ihren Leichnam wuschen. Dabei schauten sie scheu zu mir herüber. Ich jedoch achtete nicht auf sie, saß wie versteinert da und sah nur Nouras schönen Leib, ihren flachen Bauch und ihre milchweißen Brüste. Unter dem Brustbein klaffte die Schwertwunde wie ein hässlicher, blutroter Mund.
    Die Frau, die ich geliebt hatte, durch einen achtlosen Schwertstreich für immer zerstört. Mein Verstand konnte diesen Alptraum noch nicht erfassen. Es schien abwegig und unwirklich, fast als müsse sie gleich aufstehen, mich anlächeln und den schrecklichen Spuk beenden. Dann ließen mich die Frauen allein, und ich blieb beim Licht zweier Kerzen, um von ihr Abschied zu nehmen.
    Die Bäuerinnen hatten sie in ein schlichtes Leinengewand gekleidet, die Hände über der Brust gefaltet und ihr schönes Haar gebürstet. Es lag in weichen Wellen, an ihrem Busen entlang und bis hinab zu ihren Hüften. Man sagt, auch wenn das Fleisch zerfällt und Gebeine modern, das Haar vergehe nicht im Grab und bleibe auch nach Jahrhunderten erhalten. Nouras Haar hatte sanft geglänzt, wenn sie zu mir auf unser Lager gekommen war und sich zum Kuss über mich gebeugt hatte. Es hatte meine Wange gestreichelt und nach der Liebe ihre Brüste umrahmt und unseren Schweiß getrocknet.
    Ich schnitt eine Locke ab und beugte mich über ihr Antlitz. Sie war reifer geworden, und es fanden sich winzige Fältchen auf der Stirn und um den Mund. Spuren unserer gemeinsamen Jahre. Welche Kunst auch immer die Frauen aus dem Dorf angewandt hatten, aber ihre Wangen trugen einen rosigen Hauch, und ihr lieblicher, roter Mund bildete einen Gegensatz zur Blässe des Todes und verlieh ihr eine durchsichtige Schönheit. Wenn Schlaf wie das Abbild des Todes ist, so schien ihr Tod nun das Abbild friedlichen Schlafes. Ein leichter Wind hatte sich über den Hügeln erhoben und wehte durch die halboffenen Fensterläden. Das Flackern der Kerzen warf bewegte Schatten und gaukelte Leben vor, wo keines mehr war. Ich küsste sanft ihre Lippen. Als Antwort spürte ich nur die Kälte des Todes und schrak zurück.
    Keinem Menschen hatte sie jemals ein Leid angetan. Und ich hatte gelobt, sie immer zu beschützen. Dabei hätte ich doch tausendmal eher den Tod verdient,
soudadiers
eines eifersüchtigen Gottes, der nichts neben sich bestehen lässt. Ein
miles christi
war ich, ein verdammter, gnadenloser Gotteskrieger und Mörder im Namen des Herrn. Warum, Herrgott, hast Du nicht lieber mich genommen, gestern in der Schlacht?
    Ich betete inbrünstig zur Jungfrau Maria. Dann wanderten meine Gedanken zu jenem fernen Tag, an dem Noura und ich uns begegnet waren.
    ***
    Wo Männer wegen eines Laibes Brot zu Mördern werden, da wird man keine Großmut finden. Wo Hass und Verachtung die Oberhand haben, wie kann es dort Mitgefühl und menschliche Wärme geben? Und in einer Welt voller Tod und Zerstörung, wie kann da Liebe gedeihen? Doch mit ein wenig Wasser blüht selbst die Wüste. Je schlimmer die gemeinsame Not, je stärker wird das Band der Freundschaft, und je mehr der Tod uns bedroht, umso hartnäckiger drängt das Leben aus der Dunkelheit ans Licht. Und Leben ist auch Liebe.
    Wir waren ein ungleiches Paar, Noura und ich. Jeder aus einer anderen Welt. Hatten wir doch nicht einmal eine gemeinsame Sprache. Allen Grund hätte sie gehabt, mich zu hassen, wie überhaupt alle Franken. Und dennoch, gerade in den dunkelsten Stunden des Lebens fanden wir zueinander.
    Ich will erzählen, wie es dazu gekommen war.
    Nach Konstantinopel und der Überquerung des Bosporus in Schiffen des Kaisers waren wir nach Nicaea marschiert, der Hochburg des jungen Sultans von Rum, Kilij Arslan, obwohl die Stadt wenige Jahre zuvor noch byzantinisch gewesen war. Der Sultan, der auf einem Kriegszug gegen einen anderen Türkenklan gewesen war, näherte sich im Eilmarsch, um unsere Belagerung zu brechen. Unerwartet griffen sie uns im Süden vor der Stadt an. Raimon gelang es, sie zu halten, bis Godefroi uns zu Hilfe eilte und wir sie in die Flucht schlagen konnten.
    Es gelang Kilij Arslan, den Großteil seines Heeres zu retten. Er war auch derjenige, der ein Jahr zuvor die zehntausend Anhänger des Einsiedlers Pierre d’Amiens vernichtet hatte. Ein unglücklicher Marsch meist armen Volkes und somit leichte Beute

Weitere Kostenlose Bücher