Der Bastard von Tolosa / Roman
herbei.
Ich seufzte. Allzu gern hätte ich das Testament vernichtet, um für immer den Mantel des Vergessens darüberzubreiten. Doch in Wahrheit fühle ich mich nicht dazu berechtigt. So ist es meine Pflicht, die Bürde im Geheimen weiterzureichen, an einen Jüngeren. Das war der Grund, warum ich den Schreiber gerufen hatte.
***
»Willst du mich wieder mästen, Weib?«, knurrte ich die Köchin am nächsten Morgen an, als sie meinen Napf mit einem kräftigen Schlag von ihrem zähflüssigen Hirsebrei versah und darin ein Stück Butter zergehen ließ. Ein Holzbrett mit Brot, Wurst, Zwiebelringen und Oliven lag auf dem mächtigen Eichentisch in der Küche.
Sie warf mir einen finsteren Blick zu und murmelte etwas Unverständliches. Dabei schob sie mir den Honigtopf zum Süßen hin und eine Schale mit zerstoßenen Nüssen. Sie kennt meine Schwäche für Nüsse. Sie hält mich für zu knochig und versucht alles, damit ich Speck ansetze. Ein Mann meines Ranges und Alters, sagt sie, dürfe nicht wie ein junger Hungerleider aussehen.
Die Sonne lugte gerade erst hinter den Bergen hervor. Der junge Bruder
saß an einer Ecke des Tisches und löffelte von seinem dampfenden Napf. Ich hatte abgewunken, als er sich ehrerbietig erheben wollte. Wie gewohnt murmelte ich ein schnelles Morgengebet, und Aimar bekreuzigte sich dazu. Statt seiner Kutte trug er heute ein Paar rauher Beinkleider und das lange Hemd eines der Knechte. Das Mönchsgewand hing wahrscheinlich auf der Wäscheleine. Seine Haare waren sauber, und er stank nicht mehr, wie ich zufrieden zur Kenntnis nahm.
Wir haben eine gemauerte, offene Feuerstelle mitten in der Küche, und manchmal qualmt es aufdringlich, wenn der Wind schlecht steht. Wieder nahm ich mir vor, im nächsten Jahr einen richtigen Kamin mit Rauchabzug mauern zu lassen, wie es ihn inzwischen in der
aula,
dem Herrensaal über der Küche, und in meinem Turmgemach gibt. Ein Kamin in einem Bergfried ist sicher ungewöhnlich. Aber warum soll ich an meinem Lieblingsort frieren? »Da sitzt unser Herr wieder in seinem vermaledeiten Turm!«, kann ich sie fast hören, da unten im Dorf, wenn im Winter der Rauch aus meinem Kamin steigt. Sollen sie ruhig lästern, solange ich es warm habe.
Aimar kaute mit vollen Backen. Die Köchin war geschäftig bei der Arbeit und klapperte mit Pfannen und Gefäßen. Sie schürte die Glut und legte ein paar Scheite nach. Dann nahm sie den Topf von der Eisenkette über dem Feuer und kratzte die Reste aus. Schließlich betrachtete sie den Jungen wohlwollend und klopfte ihm kräftig auf den Rücken.
»Aus dem wird wenigstens noch was, so wie der isst!« Dann lachte sie über ihren Seitenhieb in meine Richtung. »Und sauber ist er jetzt auch.« Als Bruder Aimar bei der Bemerkung rote Ohren bekam, musste sie noch lauter lachen.
Sie ist ein gutherziges Weib, wenn auch etwas, nun, nicht gerade derb, aber eben handfest und geradeheraus. Sie wird bald vierzig Jahre zählen, besitzt aber noch alle Zähne, und nie habe ich sie einen Tag krank erlebt. Sie hat kräftige Arme, stämmige Beine und einen verschwenderisch ausgestatteten Leib. Dazu sagt sie, Gott müsse ihr besonders zugetan sein, denn er habe ihr alles gegeben, was ein rechtes Weibsbild ausmache. Dabei lacht sie herzhaft, nicht ohne mir einen herausfordernden Blick zuzuwerfen.
Aber darauf gehe ich nicht ein. Hochmut kommt vor dem Fall, antworte ich für gewöhnlich, doch da verschwendet man seinen Atem, denn Demut kennt diese Frau nicht. Sie herrscht mit strenger Hand über das Gesinde, und da es nun seit langem keine
domina,
keine Burgherrin, mehr auf Rocafort gibt, hat sie stillschweigend, dank ihres beherzten Wesens, die Rolle eines weiblichen
maior domus
an sich gerissen, zumindest, was Haus und Hof betrifft, ganz als sei sie Mundschenk, Seneschall und Kämmerer in einer Person. Und das Wort
la Cosiniera
ist auf Rocafort fast zu einem Herrschaftstitel geworden. Niemand wagt, sie anders anzureden, und dies nur mit Ehrerbietung. Ich lasse sie gewähren, denn mit Ausnahme gelegentlicher Anmaßungen versorgt sie alles zu meiner besten Zufriedenheit.
»Hast du dein Bad genossen?«, fragte ich verschmitzt. »Und hat dich die Köchin eigenhändig abgeschrubbt?«
Aimar glühte tiefrot vor Verlegenheit. Mit vollem Mund mochte er nicht antworten und fuchtelte wild verneinend in der Luft herum. Die Köchin brach erneut in so schallende Heiterkeit aus, dass ihr die Tränen kamen und sie sich mit dem Handrücken über die Augen
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